"Werdet selbst zu Boten!"
Bei ihrer Vollversammlung in Hildesheim beschäftigen sich die Bischöfe bei einem Studientag intensiv mit Social Media. Die Bischofskonferenz will damit dem gestiegenen Einfluss der sozialen Netzwerke gerecht werden und deren Bedeutung für die kirchliche Kommunikation ausloten. Im Interview spricht Bischof Gebhard Fürst über Chancen und Risiken von Social Media und seine bevorzugten Netzwerke.
Frage: Bischof Fürst, als Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Bischofskonferenz beschäftigten Sie sich intensiv mit der Medienszene in Deutschland. Umso mehr fällt auf, dass Sie selbst in den sozialen Medien bislang noch nicht aktiv sind. Warum nicht?
Fürst: Das ist nicht ganz richtig. Als Diözese Rottenburg-Stuttgart sind wir sehr aktiv in den sozialen Medien. Seit bereits sechs Jahren betreibt die Web-TV-Redaktion der Diözese einen eigenen Kanal auf YouTube. Und auch auf Facebook sind wir mit verschiedenen Angeboten vertreten. Zudem sind zahlreiche Seelsorger und vor allem alle Jugendreferenten der 25 Jugendreferate des Bischöflichen Jugendamts Mitglied bei Facebook und stehen dort in regem Austausch mit den Jugendlichen. Diese Aktivitäten schätze und unterstütze ich sehr! Ich selbst werde meine eigenen Aktivitäten verstärken, besonders im Zusammenhang mit der umfassenden Umstrukturierung der Öffentlichkeitsarbeit insgesamt, die wir in unserer Diözese derzeit mit großem Aufwand durchführen.
Frage: Welche Rolle spielt Social Media heute schon in Ihrem persönlichen Alltag?
Fürst: Ich persönlich verfolge vor allem den Kurznachrichtendienst Twitter mit großem Interesse. Zudem nutze ich verschiedene Nachrichtenportale als tagesaktuelle Informationsquelle.
Frage: Bei der Vollversammlung beschäftigten Sie und Ihre Mitbrüder sich einen Tag lang intensiv mit den sozialen Medien. Welche Erwartungen haben Sie an diesen Tag? Was kann und soll der Studientag leisten?
Fürst: Ich erhoffe mir, dass wir weiter einschätzen können, welche Rolle Kirche in den sozialen Medien bislang spielt und wie sie dies künftig so tun kann, dass wir die sozialen Medien als ein effektives Instrument kirchlicher Präsenz zum Dialog und zur Verkündigung nutzen können. Der Studientag setzt sich unter anderem aus medienethischer und theologischer Perspektive mit den Sozialen Medien auseinander.
Frage: Was sind für Sie in diesem Zusammenhang die drängendsten Fragen beim Umgang mit Social Media?
Fürst: Wir werden uns eingehend mit der Frage beschäftigen, welchen Einfluss die sogenannten sozialen Medien auf den Lebensstil des Einzelnen und auf die Gesellschaften insgesamt haben. Wie sich das Leben der Menschen und vor allem ihre Art zu kommunizieren verändert. Und welche Risiken die Nutzung des Internets mit sich bringt. Ich denke hier beispielsweise daran, wie die großen Internetkonzerne mit unseren Daten umgehen.
Frage: Während sich die Vollversammlung erst an Social Media annähert, sind Facebook, Twitter und Co. heute bereits für Millionen Menschen zentraler Bestandteil des täglichen Lebens und ein wichtiger Informations- und Kommunikationskanal. Welche Rolle kann und muss Kirche in den sozialen Medien spielen?
Fürst: Kommunikation vollzieht sich überall da, wo Menschen ihren Glauben leben. Die Kirche hat als erste Aufgabe, die Frohe Botschaft Jesu Christi zu verkünden und sicherzustellen, dass die Freude des Evangeliums alle Menschen erreicht. Die digitale Welt ist keine Parallelwelt und auch keine rein virtuelle Welt, sondern Teil des täglichen Lebens vieler Menschen, insbesondere junger Menschen. Darauf ist der bereits Papst Benedikt XVI. in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2013 eingegangen. Diese Aussage kann ich gut unterschreiben. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Bischöfe, die Gläubigen weiter zu ermutigen, selbst zu Boten zu werden und auch in den sozialen Medien Zeugnis zu geben. In Social Media funktioniert das klassische Sender-Empfänger-Modell allerdings nicht mehr, denn dort sind Millionen von Nutzern gleichzeitig Empfänger und Sender. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Menschen auf den Dialog in den Social-Media-Kanälen vorzubereiten und zu begleiten, zum Beispiel durch eine kompetente Mediendidaktik. Darüber hinaus sollten wir die immer größer werdenden Möglichkeiten, aber auch die wachsenden Risiken kritisch prüfen und medienethisch reflektieren.
Frage: Die katholische Kirche in Deutschland ist - unter anderem auch durch katholisch.de - bereits vielfältig in den sozialen Medien präsent und aktiv. Trotzdem hat man das Gefühl, dass die Kirche als Ganzes hier noch zu oft hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Wie kann man das ändern? Und wie wichtig wäre in diesem Zusammenhang für die Zukunft eine überdiözesane Social-Media-Strategie?
Fürst: Sicherlich gibt es noch viel Potential für die Kirche, aber man kann nicht pauschal sagen, dass wir hinter den Möglichkeiten zurückbleiben. Katholisch.de hat sich seit über zehn Jahren fest in der Medienlandschaft etabliert und erreicht mit seinem vielfältigen Angebot täglich mehrere Tausend Nutzer und ist zudem auf Facebook, YouTube und Twitter sehr erfolgreich. Darüber hinaus sind längst zahlreiche Diözesen, Einrichtungen und Verbände in den sozialen Medien aktiv und erreichen damit die verschiedensten Zielgruppen. Diese Vielfalt ist gut und richtig. Eine überdiözesane Medienstrategie kann besonders dort hilfreich sein, wo es darum geht, Guidelines zum Umgang mit Social Media zu erstellen und umzusetzen sowie Kompetenzen zu fördern, damit diejenigen, die sich in den Medienwelten bewegen, dies mit großer Sachkenntnis tun können. Ich denke dabei vor allem an die Zertifizierungskurse der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz.