Hilfswerke: Ein Jahr nach Erdbeben in Syrien weiterhin Hilfe notwendig
Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben in Syrien und der Türkei leiden die Menschen nach Angaben von Hilfsorganisationen weiter unter den Folgen. Die bisherige Unterstützung reiche nicht aus, sagte die Landeschefin von Handicap International, Myriam Abord-Hugon, am Montag in München. Es gebe großen Bedarf an "Reha-Maßnahmen, Hilfsmitteln, einschließlich Prothesen, und mentaler Unterstützung für die vielen verletzten Menschen".
Nach Angaben von Save the Children lebt ein Jahr nach dem Erdbeben noch jedes dritte Kind in einer Notunterkunft. Eigenen Umfragen zufolge berichteten in fünf von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens knapp 70 Prozent der Eltern, ihre Kinder seien traurig, rund 30 Prozent erzählten von Albträumen und Schlafstörungen. In vier türkischen Erdbebenregionen habe rund die Hälfte der befragten Haushalte von psychischen Problemen oder Verhaltensänderungen bei ihren Kindern, darunter Ängste (49 Prozent) oder aggressives Verhalten (21 Prozent), berichtet.
Forderung nach Ende der Syrien-Sanktionen
"Viele Kinder und ihre Familien müssen weiterhin in Zelten und Containern ausharren", berichtet Sasha Ekanayake, Länderdirektor von Save the Children in der Türkei. "Die Erdbeben haben nicht nur ihr Zuhause zerstört, sondern auch ihr gewohntes Leben." Save the Children arbeite mit Behörden zusammen, um sich zum Beispiel um Lernräume und Schulmaterialien zu kümmern. "Aber der Bedarf ist riesig, und die Gelder sind knapp."
Der armenisch-orthodoxe Bischof von Aleppo, Magar Ashkarian, fordert im Gespräch mit "Kirche in Not" ein Ende der Syrien-Sanktionen. Die meisten Menschen verließen wegen der Sanktionen das Land, es fehle an Strom und Gas, viele seien arbeitslos. "Die Zukunft ist düster, wir wissen nicht, was wir tun werden." Ein Lichtblick sei die stärkere Zusammenarbeit der elf christlichen Kirchen in Aleppo durch den Krieg und vor allem das Erdbeben. In Aleppo werde nicht über Ökumene geredet, "sondern wir leben die Ökumene."
Bei dem Erdbeben am 6. Februar 2023 waren in Syrien und der Türkei fast 60.000 Menschen gestorben, über 280.000 Gebäude stürzten ein oder wurden schwer beschädigt. Schätzungen zufolge sind knapp 18 Millionen Menschen von der Katastrophe und ihren Folgen betroffen.
Anfang März 2023 hatten die katholischen Bischöfe in Deutschland zu einer Sonderkollekte für die Betroffenen des Erdbebens aufgerufen. Bei dieser Spendensammlung kamen 2,5 Millionen Euro zusammen, mit denen die Hilfswerke Caritas international, Misereor und Malteser International schnell vor Ort helfen konnten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bedankte sich nun für die Spenden: "Die schnelle Hilfe war wichtig; vor allem für die Betroffenen war sie ein lebendiges Zeichen der Mitmenschlichkeit."
"Nachhaltige Lebensgrundlagen schaffen"
Die Hilfsorganisation Help – Hilfe zur Selbsthilfe unterstützte eigenen Angaben zufolge bis Ende 2023 rund 120.000 Menschen in Syrien und über 18.000 Menschen in der Türkei. Neben Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten und Bargeldhilfen unterstütze Help auch durch medizinische Versorgung in Polikliniken. Hinzu kämen psychosoziale Hilfe und Stipendien für Schulmaterialien. Wichtig sei nun, eine langfristige Unterstützung zu gewährleisten, so die Help-Programmkoordinatorin Nahost und Süd-Zentral Asien, Alexandra Schmitz. Es gelte, "die Resilienz der Menschen zu stärken, lokale Strukturen wieder aufzubauen und nachhaltige Lebensgrundlagen zu schaffen".
Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) weist auf fehlende medizinische und psychologische Unterstützung der Menschen in Syrien hin. Mit der Partnerorganisation International Medical Corps errichte die DAHW in der westsyrischen Stadt Hama ein Familienzentrum. Mit dem Projekt unterstütze die DAHW Menschen vor Ort, "vor allem Mütter, Neugeborene und Kinder mit Behinderungen" und schaffe so einen Ort, "an dem Familien Hilfe finden können", sagte der Berater für Humanitäre Hilfe und Safeguarding bei der DAHW, Imran Khan. (KNA)