Kardinal Woelki: Wir stehen zu den Christen im Heiligen Land
Im Heiligen Land herrscht nach Worten des Kölner Kardinals Rainer Woelki auf allen Seiten ein großer Wunsch nach Frieden. "Die Zwei-Staaten-Lösung ist derzeit so präsent wie in den letzten zehn Jahren nicht mehr", sagte er bei einem Besuch im nordisraelischen Mi'ilja der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sein mehrtägiger Besuch stehe im Zeichen der Solidarität insbesondere mit den Heiliglandchristen.
In Mi'ilja, einem melkitischen Dorf mit 3.000 Einwohnern rund 8 Kilometer von der Demarkationslinie zwischen Nordisrael und dem Libanon entfernt, tauschte sich Woelki mit melkitischen Jugendlichen sowie mit Schwestern der Gemeinschaft "Dienerinnen des Evangeliums von der Barmherzigkeit Gottes" über die gegenwärtige Lage für die Christen in Nordisrael aus.
Angspannte Lage
Die Situation in Mi'ilja und der Region sei sehr angespannt, berichteten die deutsche Schwester Monika Krämer und ihre polnische Mitschwester Anja Czechowska. Die Menschen vor Ort gingen sehr unterschiedlich mit der Bedrohungslage um, die Reaktionen reichten von relativer Normalität bis zu Unruhe und Panikattacken. Alle Aktivitäten mit den Kindern und Jugendlichen in dem Ort fänden seit Kriegsbeginn im Schutzraum des Kindergartens statt. Dennoch halte die Dorfgemeinschaft daran fest, in Mi'ilja zu bleiben, unter anderem, weil die Menschen Angst hätten, dass sie im Fall einer Evakuierung wieder zurückgelassen würden.
Celine und Marelie Haddad, zwei deutsch-arabisch-israelische Christinnen aus dem benachbarten Ort Jisch, berichteten von kriegsbedingten Einschränkungen etwa beim Schulunterricht, der wegen fehlender Schutzräume zwischenzeitlich Online abgehalten werden musste. Die Lage in Jisch habe sich aber im Vergleich zu Oktober etwas beruhigt. "Wir haben keine Angst und fühlen uns zuhause sicher", so die beiden Mädchen.
"Die Christen im Heiligen Land sollen wissen, dass wir zu ihnen stehen. Wir sagen ihnen, dass es wichtig ist, dass sie da sind und dass sie eine wichtige Aufgabe haben", sagte Kardinal Woelki der KNA. Der Deutsche Verein vom Heiligen Lande (DVHL) versuche unter anderem, trotz des eingebrochenen Pilgerbetriebs so viele Angestellte wie möglich in seinen Einrichtungen zu halten, erklärte Woelki, der Präsident des DVHL ist. Zugleich warb er dafür, "so bald wie möglich, spätestens nach Aufhebung der Reisewarnung" ins Heilige Land zu reisen, um den Christen vor Ort Solidarität zu zeigen.
Der furchtbare Anschlag vom 7. Oktober sei für die israelische Gesellschaft "sehr traumatisierend" gewesen, so Woelki, der den Angehörigen der Opfer sowie den Familien der Geiseln sein Mitgefühl aussprach und die Hoffnung auf eine rasche Befreiung der Geiseln äußerte. "Umgekehrt erleben wir bei den Palästinensern eine Verzweiflung angesichts der Verwüstung Gazas, dem Sterben der Menschen dort und der humanitären Katastrophe", so der Kardinal.
"Motivation für die Suche nach einer Lösung"
Angesichts der verzweifelten Situation habe er "allerseits den Wunsch nach Waffenstillstand" gehört, um Gespräche über eine Zukunft führen zu können und auf eine Befreiung der Geiseln hinzuarbeiten. Jüdische Vertreter hätten die Hoffnung geäußert, dass, "ähnlich wie der Schrecken des Jom-Kippur-Kriegs einen Frieden mit Ägypten ermöglicht hat, der Schrecken vom 7. Oktober zur Motivation für die Suche nach einer Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt wird".
Bei seinem bis Donnerstag dauernden Besuch hat Woelki verschiedene deutschsprachige kirchliche Einrichtungen sowie einheimische Christen besucht. Auf dem Programm standen ferner Treffen mit kirchlichen und diplomatischen Vertretern sowie mit der jüdischen Zivilgesellschaft.