Bischöfin Guli: Nach Iran-Flucht steile Karriere in Englands Kirche
Bei der Krönung von Charles III. sahen sie Millionen Fernsehzuschauer am Altar in Westminster Abbey. Und bei der Kommunion hatte Bischöfin Guli eine "tragende Rolle": Feierlich brachte sie den Kelch zum frischgekrönten Königspaar, um die Schultern einen goldenen Chormantel.
Gulnar Eleanor Francis-Dehqani, genannt Guli, hat es geschafft. In Isfahan geboren, wurde sie 2017 zur Bischöfin der Kirche von England geweiht – als erste nicht-weiße Frau in diesem Amt. Auch wenn Vater und Großvater der heute 57-Jährigen bereits anglikanische Bischöfe waren, verlief Gulis eigener Weg zunächst steinig. Denn mit 14 musste sie mit ihrer Familie im Zuge der Iranischen Revolution fliehen. Diese Fluchterfahrung prägt sie bis heute.
Vater und Großvater waren ebenfalls Bischöfe
Es war im Oktober 1979, als Bewaffnete in die Wohnung der Familie eindringen und um sich schießen. Das Attentat, bei dem ihre Mutter Margaret verletzt wird, gilt Gulis Vater Hassan Dehqani-Tafti, der einer muslimischen Familie entstammt, aber seit 1961 Bischof ist. Als wenig später ihr 24-jähriger Bruder Bahram von Regierungsagenten umgebracht wird, beschließt die Familie zu fliehen. Bis heute fühlt Guli "körperlichen Schmerz" in Erinnerung an den Flug nach England. Aber: "In gewisser Weise war es das Opfer meines Bruders, das uns hierher gebracht hat", sagt sie rückblickend. "Er hat uns die Chance auf ein neues Leben in diesem Land geschenkt."
In England siedelt sich die Familie in Hampshire an, wo ihr Vater bis zum Ruhestand 1990 Exil-Bischof bleibt. Guli wendet sich nach dem Musikstudium der Theologie zu – ganz wie Vater Hassan und ihr Großvater mütterlicherseits, Bischof William Thompson.
Dann stimmt die Generalsynode der Church of England am 11. November 1992 für die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Am 12. März 1994 werden die ersten 32 Priesterinnen geweiht – gerade, als Guli ihren Master in Theologie macht.
Am 2. Oktober 1999 wird die promovierte Philosophin zur Priesterin geweiht. Ihr Ehemann Lee Francis-Dehqani, mit dem sie drei Kinder bekommt, ist ebenfalls anglikanischer Priester. Am 30. November 2017 wird Guli Francis-Dehqani zur Bischöfin geweiht – als erste nicht-weiße Frau in diesem Amt. Im Mai 2021 wechselt sie von Loughborough in die Diözese Chelmsford. Seit 2021 ist sie zudem eine von etwa zwei Dutzend "Lords Spirituals" in der zweiten Kammer des britischen Parlaments, dem "House of Lords".
Bischöfin sprach bei "Lambeth-Konferenz" von eigener Flucht
Die Frau mit dem freundlichen Lächeln ist es gewohnt, ihre Meinung zu sagen; so auch, als die britische Regierung 2022 auf die Idee kommt, Migranten ohne Papiere nach Ruanda zu schicken. Und auch den Vorwurf, die Kirche lasse sich auf "gefakte" Taufen von Geflüchteten ein und begünstige damit illegale Zuwanderung bis hin zum Terrorismus, weist sie regelmäßig klar zurück.
Bei der anglikanischen "Lambeth-Konferenz" im Sommer 2022 berichtet Guli vor den über 600 Bischöfen aus aller Welt von ihrer eigenen Flucht. "Jenen, die das Glück haben, sich in relativer Sicherheit zu befinden, möchte ich freundlich sagen: Denken Sie immer an Ihre Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt, die unter Verfolgung leiden", so ihr Appell.
Wichtiges Thema bei der Konferenz ist die Zulassung von LGBTQ-Personen fürs Bischofsamt sowie die Segnung homosexueller Paare. Aus Protest nehmen einige Bischöfe beim Gottesdienst nicht an der Kommunion teil – traurig, findet Guli Francis-Dehqani, heute eine von sieben Bischöfinnen der Church of England, "aber wir hatten dasselbe auch schon beim Thema Priesterweihe für Frauen. Und noch heute wollen manche nicht zur Kommunion gehen, wenn eine Frau am Altar steht", sagt die Theologin im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Aber wir arbeiten weiter an unserer Einheit."
2023 ist sie eine von 44 Bischöfen, die in einem Offenen Brief für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eintreten – mit Erfolg: Seit Ende 2023 erlaubt die Church of England solche Segnungen – nur wenige Wochen, bevor diese auch der Vatikan mit der Erklärung "Fiducia Supplicans" gestattet.
Zugleich ist sich Bischöfin Guli bewusst, dass solche Entscheidungen für manche schmerzhaft sein können. In der legendären BBC-Sendung "Desert Island Discs" (etwa "Musik für die einsame Insel") im Januar wünschte sie sich auch "Take me to Church" von Sinead O'Connor – denn "Religion und Kirche, die ein Ort der Heilung sein sollten, verursachen leider oft auch großen Schmerz".