Erzbischof Tadeusz Wojda lenkt Polens Kirche in schwierigen Zeiten
Polen galt lange als Bastion des katholischen Glaubens. Dann erschütterten vor einigen Jahren kirchliche Missbrauchsskandale das Land, und viele Menschen kehrten Geistlichen den Rücken zu. Abzulesen ist das an diesen Zahlen: 2021 bekannten sich bei der nationalen Volkszählung nur noch 27 Millionen Polinnen und Polen zur römisch-katholischen Kirche – mehr als 6 Millionen weniger als zehn Jahre zuvor.
Vor diesem Hintergrund wählten Polens katholische Bischöfe am Donnerstag in Warschau ihren neuen Vorsitzenden: den Danziger Erzbischof Tadeusz Wojda. Das erfreute unter anderem Ordensleute sehr. Denn mit dem 67-jährigen Pallottiner steht erstmals ein Ordensmann der Polnischen Bischofskonferenz vor. Für alle Mitbrüder sei Wojdas Wahl eine "gute Nachricht, und für die Kirche in Polen und auf der ganzen Welt eine sehr gute Nachricht", meinte etwa der Pallottiner Michal Siennicki.
Zuhören und Brücken bauen
Der Rektor der Katholischen Universität Lublin, Miroslaw Kalinowski, äußerte sich ebenfalls hoch zufrieden über die Personalentscheidung. Er lobte Wojdas Erfahrung und bisheriges Engagement. Der neue Episkopatsvorsitzende werde "der Kirche in Polen in Einheit mit dem Heiligen Vater Franziskus und der gesamten Weltkirche die Richtung vorgeben", so Kalinowski.
Wojda dankte bei einer Pressekonferenz den Bischöfen für das in ihn gesetzte Vetrauen. Er baue auf eine kreative Zusammenarbeit, "die uns zusammenbringt". Weil er erst seit sieben Jahren Erzbischof sei, hatte er nach eigenen Worten eigentlich damit gerechnet, dass ein anderer zum Vorsitzenden gewählt würde.
"Die Kirche versucht immer, die Menschen zu erreichen, die wichtigsten Inhalte zu vermitteln, in einer angemessenen, verständlichen Sprache, die unsere Gemeinschaft aufbaut, vereint und vor allem etwas Gutes, etwas Konstruktives bringt", so Wojda. Er wolle zuhören und Brücken der Verständigung zu bauen.
Wojda kennt sich sehr gut im Vatikan aus. 1984 war er zum Weiterstudium nach Rom gegangen, das er 1989 mit einer Doktorarbeit über die Missionstheologie aus Münster und der belgischen Universität Löwen abschloss. Anschließend arbeitete er für die vatikanische Evangelisierungsbehörde und leitete ab 2007 deren Büro. Papst Benedikt XVI. (2005-2013) ernannte ihn schließlich 2012 zum Untersekretär der Missionskongregation.
Bevor er 2021 Erzbischof in der Ostseestadt Danzig (Gdansk) wurde, war er knapp vier Jahre lang Erzbischof im nordostpolnischen Bialystok. Landesweit bekannt ist er im Gegensatz zu Polens Primas Erzbischof Wojcjech Polak nicht. Letzteren hatten sich viele liberale Katholikinnen und Katholiken als Vorsitzenden gewünscht.
Manche katholische Kommentatoren werfen Wojda vor, als Bischof keine so gute Figur gemacht zu machen. Man habe nicht erkennen können, dass er die Absicht habe, "sich an Menschen zu wenden, die von der Kirche oder Gott entmutigt sind", kritisierte der Chefredakteur der Zeitschrift "Wiez", Zbigniew Nosowski. "Und ohne eine solche Vision bedeutet das für die Zukunft der Kirche eine weitere Entkirchlichung des polnischen Glaubens, ein Verschwinden der gesellschaftlichen Bedeutung des Katholizismus, Entmutigung der Gläubigen und den institutionellen Zusammenbruch kirchlicher Strukturen." Nosowskis düsteres Fazit: Auf die Bischofskonferenz könne man in dieser Hinsicht in den kommenden fünf Jahren nicht mehr zählen.
Negative Reaktionen auf Wahl Wojdas
Negativ auf die Wahl reagierte auch Piotr Sikora aus der Fachredaktion der Wochenzeitschrift "Tygodnik Powszechny". Die Entscheidung für Wojda werde "höchstwahrscheinlich zu einer weiteren Marginalisierung der Bedeutung des polnischen Episkopats führen – sowohl im gesellschaftspolitischen Bereich als auch im Leben der Kirche selbst". Die Bischöfe hätten mit Wojda und dem ebenfalls neu gewählten Vize-Vorsitzenden Erzbischof Jozef Kupny aus Breslau (Wroclaw) Führungskräfte gewählt, "die in ihrem Namen schweigen werden".
Danach sieht es allerdings momentan nicht wirklich aus. Die Bischöfe ernannten bei ihrer Vollversammlung mehrere Vertreter, die mit der neuen Mitte-Links-Regierung über die Zukunft des katholischen Relgionsunterrichts in den Schulen sprechen sollen. Sie setzen auf Dialog – und wollen eine Reduzierung der Religionsstunden abwenden. In ihrem Kommunique zum Abschluss der Vollversammlung betonen die Bischöfe, der Religionsunterricht vermittele Grundwerte, "auf denen das Leben jedes Menschen und jeder Gesellschaft aufgebaut sein sollte".