"Weiße Fahne": Kardinal Koch verteidigt Papst-Aussagen zur Ukraine
Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch hat Papst Franziskus gegen Kritik an dessen umstrittenen Aussagen zu einem Frieden in der Ukraine verteidigt. Betrachte man die gesamten Aussagen des Papstes zu dem dortigen Krieg, spreche er fast immer von der bedrängten Ukraine, so der Kardinal in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung "Kurier" (Samstag). "Da kann man sicher nicht sagen, dass er Partei für Russland ergreift; er ergreift vielmehr Partei für die Opfer." Außerdem habe Franziskus das konkrete Angebot gemacht, zu vermitteln, "wer vermitteln will, muss Türen offenlassen, auch wenn das falsch interpretiert werden kann", befand der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen.
Mit seiner Interview-Aussage, die Ukraine möge "Mut zur weißen Fahne" haben, sei der Papst konkret auf die Frage des Journalisten eingegangen und habe sie beantwortet, betonte Koch. Franziskus leide sehr darunter, "dass dieser Krieg nicht zu Ende geht und so viele Opfer fordert". Deshalb frage er sich, wie der Krieg beendet werden kann.
Was die Haltung der russischen Orthodoxie zum Krieg betreffe, so sei diese für den Vatikan nur schwer zu verstehen, betonte der vatikanische Chef-Ökumeniker; dies "umso mehr als Christen, sogar orthodoxe Christen, einander umbringen. Das ist eine furchtbare Botschaft an die Welt, welche dem Christentum als Ganzem schadet".
Kirche in Deutschland erwarte zu viel
Außerdem warnte Koch die katholische Kirche in Deutschland vor überzogenen Reformerwartungen bei der Weihe von Frauen oder dem Pflichtzölibat. "Der Papst hat solche Erwartungen jedenfalls nicht geweckt", sagte der Kurienkardinal. Franziskus habe vielmehr "immer klar gesagt, worum es ihm geht". Wenn die Kirche in Deutschland sich etwa im Sinne ihres Reformprojekts Synodaler Weg ihre eigenen Erwartungen formuliere, "müssen sie sich fragen, wie sie dann mit den Enttäuschungen umgehen werden". Er verwies zudem auf den Brief des Papstes "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" von 2019. Darin habe Franziskus daran erinnert, dass die erste Aufgabe Kirche die Evangelisierung, die Verkündigung des Glaubens sei. "Wenn sie nicht im Mittelpunkt steht, dann ist etwas verloren gegangen. Das muss die Kirche erst selbst wieder entdecken", so Kardinal Koch.
Drängender als die innerkirchlichen Fragen, sieht Koch weiter das Problem, dass die Kirche in Europa weitgehend ihre gesellschaftliche und kulturelle Prägekraft eingebüßt habe. Dies zeige sich etwa in den jüngsten Entwicklungen in Frankreich, wo das Recht auf Abtreibung verfassungsrechtlich abgesichert und die aktive Sterbehilfe legalisiert werden soll. Dabei sei klar, "der Einsatz für das Leben auch am Anfang und am Ende ist nicht allein die Verantwortung der katholischen Kirche, sondern ist europäisches Erbe", befand Koch. "Wenn das Recht auf Leben in der Weise infrage gestellt wird, dass das Gegenteil in die Verfassung eines Landes aufgenommen wird, dann werden die Wurzeln der europäischen Zivilisation angegriffen. Da müssten eigentlich alle wachen Europäer zusammenstehen."
Unterdessen verteidigte auch Italiens Außenminister Antonio Tajani die Äußerungen von Papst Franziskus zu Krieg und Frieden. Der Papst sei für Katholiken die oberste religiöse Autorität, sagte der Vorsitzende der Forza Italia der italienischen Tageszeitung "Avvenire" (Sonntag online). Franziskus habe gesagt, dass alles getan werden müsse, um Frieden zu erreichen. "Es ist richtig, dass er das sagt", so Tajani. (mpl/KNA)
17.3., 13:30 Uhr: Ergänzt um Kochs Statement zu Reformen. 15:20 Uhr: Ergänzt um Statement von Tajani.