Wie katholische Pfarreien mit der AfD in eigenen Reihen umgehen
Es wäre der wohl deutschlandweit erste Fall, in dem ein AfD-Mitglied auf Grundlage des Abgrenzungsbeschlusses der katholischen Bischöfe sein Kirchenamt verlieren würde. Eine Pfarrei in Neunkirchen/Saar will den saarländischen AfD-Landtagsabgeordneten Christoph Schaufert aus ihren Gremien ausschließen und hat dafür Anfang März das Bistum Trier um Unterstützung gebeten. Hintergrund ist die im Februar einstimmig beschlossene Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar".
Darin heißt es unter anderem: "Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar." Wer rechtsextreme Parolen verbreite, insbesondere Rassismus und Antisemitismus, könne in der Kirche weder haupt- noch ehrenamtlich mitarbeiten. So gerät Christoph Schaufert ins Visier: Er ist zum einen saarländischer AfD-Landtagsabgeordneter und Kommunalpolitiker. Zum anderen sitzt er im Verwaltungsrat der Pfarrgemeinde Sankt Marien in Neunkirchen. Und die stellte beim Bistum Trier – so sehen es die Regularien vor – den Antrag auf Ausschluss des Politikers aus dem Kirchenamt. Dabei bezog sie sich ausdrücklich auf das Statement der Bischöfe.
Umsetzung der Erklärung beschäftigt Bistümer
Derzeit prüft das Bistum den Antrag. Wie lange? Dazu gibt es noch keine Angaben. Aber Schaufert könnte zum Präzedenzfall werden. Denn die praktische Umsetzung der Erklärung der Bischöfe beschäftigt alle Bistümer – und ihre Juristen. Für einen Ausschluss braucht es eine saubere Rechtsgrundlage. Man sei dazu in verschiedenen Gesprächen, könne aber noch keine konkreten Inhalte mitteilen, teilte die Pressestelle der Bischofskonferenz auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Klar ist bereits: Eine bloße Mitgliedschaft in der AfD genügt noch nicht für einen Ausschluss aus kirchlichen Ämtern oder Räten. Das haben die Bischöfe nach eigenem Bekunden bereits prüfen lassen. In einigen wenigen Bistümern wie Berlin und Würzburg gibt es bereits Unvereinbarkeitsklauseln für pfarrliche Gremien. Sie heben jedoch nicht auf einzelne Parteien ab, sondern auf extremistische öffentliche Äußerungen.
Selbst wenn der Schaufert-Ausschluss Erfolg hätte, will man in Neunkirchen aber die Türen nicht komplett zumachen. "Selbstverständlich stellen wir uns auch zukünftig der Diskussion mit Mitgliedern und Sympathisanten aller politischen Parteien, auch der Christen in und nahe der AfD", versichert die Pfarrgemeinde in ihrem Antrag. Ein Ansatz, den auch die saarländische Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Celine Koch empfiehlt. Sie hat 2022, im Jahr der saarländischen Landtagswahlen, untersucht, warum Christen die AfD wählen oder nicht wählen.
Standpunkt gegenüber Rechtsextremismus wichtig
"Es ist wichtig, dass eine Institution wie die Kirche ihren Standpunkt gegenüber Rechtsextremismus und der AfD unmissverständlich klarmacht. Kirche sollte sich aber von Menschen, die die AfD wählen, nicht grundsätzlich abwenden, sondern versuchen, die Ängste dieser Menschen wahrzunehmen und zu adressieren", erläutert Koch auf KNA-Anfrage. Viele AfD-Wähler hätten kein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild, sondern seien ängstlich, verunsichert und zuweilen orientierungslos: "Das ist keine Rechtfertigung für ihre Ansichten, aber möglicherweise der Türöffner für einen Dialog."
Ein Pfarrer aus dem ländlichen Raum in Sachsen, der anonym bleiben möchte, berichtet: "Die AfD verspricht den Menschen hier eine heile Welt – und das zieht." Die Erklärung der Bischöfe zu der Partei hat er für seine Gemeindemitglieder ausgedruckt und sie in der Messe zum Thema gemacht: "Fühlen Sie sich verpflichtet, es zu lesen!" Es gab positive wie negative Reaktionen. Ein älterer Mann kritisierte ihn vor versammelter Mannschaft lautstark. Die AfD wolle als einzige die Menschen schützen und tue so viel für die Familie. Ob er Beispiele dafür habe, fragte der Pfarrer. Fehlanzeige. Ob der Mann das Wahlprogramm gelesen habe? "Muss ich nicht." Der Pfarrer berichtet, dass viele Katholiken in der Region zwischen Kirche und Politik trennen: "Kirche ist für sie Heimat und ein Ort zum Wohlfühlen. Die Politik soll da nicht reingetragen werden. Die Leute wissen, dass ich die AfD ablehne, also sprechen sie das Thema mir gegenüber erst gar nicht an." Der Pfarrer fragte in einem der Pfarrgremien: "Ist hier jemand in der AfD?" Schweigen. Offiziell niemand. Einer wandte ein mit Blick auf die Gemeindegremien: "Wir dürfen niemanden ausgrenzen. Dann haben wir niemanden mehr, der sich aufstellen lässt."
Gut 70 Menschen sind an einem Mittwochabend in der Brauerei in Zwönitz zusammengekommen, um bei einem von der Kirche organisierten Kneipenabend mit Bischof Heinrich Timmerevers über "Christliche Werte und unsere Gesellschaft" zu diskutieren. Das schmucke Bergbaustädtchen im Erzgebirge zählt zu den Hochburgen der rechtsextremen Kleinstpartei Freie Sachsen, auch die Reichsbürger sind hier aktiv. Die AfD sieht man hier eher als das kleinere Problem, obwohl der Landesverfassungsschutz sie als gesichert rechtsextremistisch einstuft. In den Brauerei-Saal sind vor allem Christen gekommen. Man kennt sich. Timmerevers geht von Tisch zu Tisch, spricht mit den Menschen. Danach gibt es eine kleine Podiumsdiskussion. Auf Zettel können die Anwesenden ihre Fragen schreiben. Die eindeutige AfD-Absage der Bischöfe ist zentrales Thema.
Grenzen mussten gezogen werden
Timmerevers sagt: "Natürlich sehen wir in unseren Kreisen Menschen, die mit der AfD sympathisieren, aber ich bekomme auch das Signal: Endlich sagt unser Bischof was dazu, das gibt uns Rückenwind, uns da auch klar zu positionieren." Ein Zettel wird verlesen: "Warum mischt sich die Kirche in die Politik ein? Weitere Kirchenaustritte werden folgen." Der Bischof erklärt, dass Grenzen gezogen werden müssten, zum Beispiel bei einem ausgrenzenden völkischen Nationalismus, wo Christen nicht mehr mitgehen könnten.
Ein weiterer Zettel: Was mit Paragraf 218 sei – die AfD sei doch klarer als andere gegen Abtreibung. Timmerevers sagt, dass man manchmal Kompromisse machen müsse und die aktuelle Regelung ein tragfähiger Kompromiss sei. Dann kommt die Sprache auf Ausländer. "Das Christentum ist eine Migrationsgemeinschaft", sagt der Bischof. Eine ältere Frau steht auf: "Das, wovor die Menschen hier Angst haben, ist, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen und mit einer anderen Religion kommen. Stimmen sie mir zu, dass deren Integration schwieriger ist?" Ja, die Herausforderung sei größer, räumt Timmerevers ein: "Aber das ist eine Realität, das ist die Welt. Wir können nicht die Schotten dicht machen. Natürlich muss Migration auch ein Regelwerk haben. Es bringt nichts, wenn ich jetzt versuche, einfach nur gegen Ihre Ängste anzureden. Suchen wir gemeinsam nach Lösungen."