Hat Papst Franziskus der Weltsynode den Wind aus den Segeln genommen?
Es ist die große Vision von Papst Franziskus: eine Kirche für alle. Wesentlicher Bestandteil auf dem Weg dahin ist die seit rund zweieinhalb Jahren laufende Weltsynode. Um ein neues Miteinander soll es gehen, um neue Beratungswege und um mehr Beteiligung des "Volkes Gottes".
Entsprechend tragen auch die Macher der Weltsynode – Generalsekretär Mario Grech und Inhalte-Koordinator Jean Claude-Hollerich – die Idee von der neuen Synodalität gebetsmühlenartig vor. Bei einer Pressekonferenz mit den beiden Kirchenmännern wurde kürzlich jedoch klar: Brisante Themen werden am Ende wohl doch eher "un-synodal" behandelt.
Expertengrupen sollen sich kümmern
Etwa ein halbes Jahr vor der letzten Weltsynodenrunde im Vatikan hat Papst Franziskus zehn Themenkomplexe aus dem synodalen Prozess ausgekoppelt. Expertinnen und Experten sollen sich in sogenannten Studiengruppen mit diesen Fragen beschäftigen, die sich auf dem bisherigen Weg herauskristallisiert haben. Ihre Ergebnisse sollen sie dem Papst im Juni 2025 vorlegen – also lange nach Abschluss der Weltsynode.
Die Frage nach der Verkündigung in einer digitalisierten Welt ist unter den Themen, ebenso mögliche Änderungen in der Priesterausbildung und die künftige Rolle der Bischöfe. In bestem Kirchen-Sprech geht es auch um "theologische Kriterien und synodale Methoden für die gemeinsame Erörterung kontroverser lehrmäßiger, pastoraler und ethischer Fragen" sowie um "theologische und kirchenrechtliche Fragen zu bestimmten kirchlichen Ämtern".
Dass der letztgenannte Punkt unter anderem das Streitthema "Diakonat der Frau" meint, erfuhren Vatikan-Journalisten auf ausdrückliche Nachfrage eines Kollegen. Ein weiterer strittiger Punkt – die Abschaffung des Pflichtzölibats – ist hingegen in keinem der zehn teils hieroglyphisch formulierten Themenkomplexe enthalten. Diese Frage habe nie auf dem Tisch gelegen, sagte Grech bei der Pressekonferenz fast etwas pikiert.
Was nicht ganz stimmt. Zumindest haben die rund 350 Synodalen – darunter erstmals stimmberechtigte Frauen – während ihrer ersten Runde im Vatikan im Oktober 2023 durchaus das Thema Zölibat als diskussionswürdig identifiziert. "Einige (Synodale) fragen, ob die Angemessenheit des Zölibats theologisch notwendig dazu führen muss, dass er in der lateinischen Kirche für den priesterlichen Dienst verpflichtend ist" steht im Synthese-Bericht von Weltsynode Part Eins.
Wie es mit Part Zwei im Oktober 2024 nun weitergehen soll, ist bei der Pressekonferenz nicht ganz klar geworden. Offenbar haben die Studiengruppen nun das Ruder in der Hand, was die theologische und kirchenrechtliche Debatte angeht. Diese Aussicht muss etliche Synodale frustrieren, zumal sich viele von ihnen seit Monaten den Mund fusslig reden, um die synodale Idee in ihren Bistümern und Pfarreien zu erklären. Da tröstet es wenig, dass die Studiengruppen ihren vorläufigen Diskussionsstand vor der Weltsynode im Oktober präsentieren sollen.
Warnung vor Verzögerungstaktiken
Irritiert zeigte sich etwa die Synodale Helena Jeppesen-Spuhler aus der Schweiz. In ihrer Heimat sei es schwierig, den Leuten die Langsamkeit des Prozesses zu vermitteln, sagte sie dem Online-Portal Vatican News. Das Thema Frauendiakonat lasse sich kommenden Oktober "nicht nicht behandeln". Auch der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, warnte vor Verzögerungstaktiken. "Es stehen Entscheidungen an", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Fairerweise ist einzuräumen, dass Grech, Hollerich und ihr Team stets von einer "Synode über Synodalität" gesprochen haben. Über konkrete Einzelfragen werde nicht entschieden, man mache keine Kirchenpolitik, sondern spreche über das große Ganze, nämlich ein neues Miteinander in der katholischen Kirche – so verlautete es immer wieder aus dem Synodensekretariat und dessen Umfeld.
Und: Dass es mehrere Themen gibt, die der theologischen und kirchenrechtlich Klärung bedürfen, wurde spätestens während des ersten Oktober-Treffens im Vatikan offenbar. Keine zwei Monate später veröffentlichte das Generalsekretariat den weiteren Fahrplan für die Weltsynode und erklärte unter anderem, dass es zu ebensolchen Grundsatzfragen einen gesonderten Prozess geben werde.
Frauendiakonat: Das sagen die neuen Beraterinnen des Papstes
Beim Weltsynode-Finale im Herbst wird nicht über das Frauendiakonat abgestimmt. Dennoch sind die Erwartungen diesbezüglich hoch. Vor kurzem erweiterte der Papst noch den Beraterkreis um drei Frauen. Nun äußern diese sich zum Frauendiakonat.
"Es handelt sich um Fragen von großer Tragweite, von denen einige auf der Ebene der gesamten Kirche in Zusammenarbeit mit der Römischen Kurie behandelt werden müssen", hieß es im Schreiben des Synodensekretariats damals. Die Fragestellungen sollen vom Papst formuliert und dann an "synodale Arbeitsgruppen" weitergeleitet werden.
Die Aufregung blieb damals aus, auch weil das Synodensekretariat die Tragweite dieser Auskopplung nicht klar machte. Umso mehr fühlen sich einige Synodale jetzt vor den Kopf gestoßen, erfuhren sie doch aus den Medien, dass ihnen die theologische und kirchenrechtliche Debatte etwa über das Frauen-Diakonat im Prinzip aus der Hand genommen wurde.
"Die Wirkung für die Synode ist ambivalent"
Dabei haben weder der Papst noch Grech oder Hollerich je versprochen, dass die Synodalen über derartige Fragen mitbestimmen dürfen. Versprochen wurde ihnen allerdings ein neues Miteinander bei Beratungs- und Entscheidungsprozessen – eben Synodalität.
"Die Wirkung für die Synode ist ambivalent", drückt es ZdK-Vize Söding aus. "Einerseits verfolgt die Leitung den Plan weiter, Synodalität selbst in den Fokus zu nehmen und nicht sofort alle Themen mitzubehandeln, die problematisch scheinen und synodal beraten und entschieden werden müssen. Andererseits wäre es konsequent, auch alle inhaltlichen Themen, für die jetzt Studiengruppen eingesetzt sind, auf synodale Weise zu behandeln. Aber diese Konsequenz ist noch nicht da."
Anders gesagt: Das neue Miteinander, das vor allem mithilfe der Weltsynode entstehen soll, gibt es eben noch nicht. Bis dahin wird es weiter "un-synodale" Beratungswege geben, vor allem wenn es um knallharte theologische und kirchenrechtliche Fragen geht. Was nicht in jedem Fall negativ sein muss. Dass sich eine vom Vatikan eingesetzte Arbeitsgruppe nun mit dem Frauendiakonat beschäftigt, könnte der Sache im Sinne der Befürworter auch dienlich sein. Darüber hinaus gilt nach wie vor: Die letztendlichen Entscheidungen trifft allein der Papst – Studiengruppen hin, Weltsynode her.