Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa: Konzept erscheint lebensfremd

Straffreie Abtreibungen? Kritik von Erzbischof Koch und Caritas

Veröffentlicht am 09.04.2024 um 13:19 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Abtreibungen außerhalb des Strafrechts regeln? Eine Expertenkommission stellt dazu am Montag Empfehlungen vor, einiges sickerte schon durch. Familienbischof Koch und die Caritas halten eine Reform für sehr problematisch.

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Familienbischof Heiner Koch warnt davor, am sogenannten Abtreibungsparagrafen 218 zu rütteln. "Die bestehende Regelung hält sowohl die Not und Sorge der Mutter als auch den Schutz des ungeborenen Kindes hoch. Das durch eine Neuregelung zu gefährden, halte ich für sehr problematisch", sagte der Berliner Erzbischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) die Familien-Kommission leitet, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Er hoffe, dass die Politik bei dem Thema sehr bedacht vorgehe, betonte Koch: "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ja eindeutig: Es nimmt die Gesellschaft und den Staat in die Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen. Insofern muss erstmal der Nachweis geführt werden, wie das ohne Strafrecht in verfassungskonformer Weise sichergestellt werden kann." Aus seiner Sicht habe sich der in Paragraf 218 ausgehandelte Kompromiss bewährt, so Koch weiter: "Es ist ein Weg, der unserer pluralen Gesellschaft gerecht wird. Ich würde zwar das Leben lieber noch stärker schützen - aber auch das nur auf dem Weg der Überzeugung", fügte er hinzu: "Als Kirche sind wir der Ansicht, dass das ungeborene Leben geschützt werden muss. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass das nur zusammen mit den Frauen, nach Möglichkeit auch mit dem Partner und nicht gegen sie geht. Dass jede Abtreibung für mich eine Abtreibung zu viel ist, steht dadurch nicht infrage." Die Kirche sehe durchaus die Not einer ungewollt schwangeren Frau, ergänzte der Bischof: "Deshalb sind wir ja auch nie aus der Schwangerschaftsberatung ausgestiegen, auch wenn wir keine Beratungsscheine ausstellen. Im Gegenteil, wir haben unsere Beratung und unsere Hilfsangebote für Schwangere und in Not geratene Familien ausgebaut."

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission will am Montag Empfehlungen vorlegen, ob eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs auch außerhalb des Strafrechts möglich wäre. Wie Medien vorab aus dem Abschlussbericht zitieren, sollen Abtreibungen nach Ansicht der Fachleute künftig in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich erlaubt werden. Eine grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Abtreibung in der Frühphase der Schwangerschaft sei nicht haltbar, so die Kommission. Die Bundesregierung muss nach den Empfehlungen entscheiden, ob sie einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringt. Koch hatte sich schon vor Bekanntwerden der ersten Vorabberichte gegenüber KNA geäußert.

Caritas: Vorschläge sind lebensfremd

Auch die Caritas kritisierte die am Montagabend bekannt gewordenen Empfehlungen der Ampel-Kommission zur Reform des Abtreibungsrechts. Das Konzept der Kommission der Bundesregierung erscheine lebensfremd, erklärte die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa am Dienstag in Berlin. Die Kommission schlage nun offenkundig vor, das Beratungskonzept durch eine zweistufige Fristenlösung zu ersetzen. Das erscheine in einer Zeit, in der junge Eltern mit den ersten Ultraschallbildern bereits erlebten, wie sich ihr Kind im Bauch der Mutter entwickelt, lebensfremd. Für die Caritas gelte, die jetzige Regelung ist keine völkerrechtswidrige Kriminalisierung der Abtreibung, sondern sie ist ein ausgewogenes Konzept, das das Leben des Kindes über die Selbstbestimmung der Frau schütze, so die Caritas-Präsidentin weiter. Deshalb sei es notwendig, dass nach Abgabe des Kommissionsberichts eine gründliche Diskussion über die Vorschläge stattfinde. Bei dieser Diskussion könne die Bedeutung einer guten Beratung und Begleitung werdender Eltern nicht genug unterstrichen werden. Ähnlich äußerte sich der Familienbund der Katholiken. Die derzeitige Regelung des Schwangerschaftsabbruchs sei nicht verfassungswidrig, sondern entspreche der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1993.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) spricht sich für die Beibehaltung der gängigen Rechtspraxis bei Abtreibungen in Deutschland aus. "Uns überzeugt ethisch nicht, dass der Embryo in der frühen Phase der Schwangerschaft weniger Schutzrechte haben soll", so ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.

Bisher gelten für Abtreibungen die in Paragraf 218 des Strafgesetzbuches festgeschriebenen Regeln. Ein Schwangerschaftsabbruch ist demnach grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren. Im Jahr 2022 ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland um fast zehn Prozent auf 104.000 gestiegen. Auch in den ersten drei Quartalen 2023 meldete das Statistische Bundesamt steigende Zahlen. (ben/KNA)

09.04., 15:40 Uhr: ergänzt um Stellungnahme des ZdK und Familienbunds.