Missbrauch: Betroffene verlangen mehr Entschlossenheit bei Aufarbeitung
Missbrauchsbetroffene haben von der evangelischen Kirche mehr Kommunikation und mehr Entschlossenheit bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt verlangt. Das Thema müsse bis in die kleinste Kirche hinein transportiert werden, sagte der Betroffenenvertreter Detlev Zander am Freitagabend in Loccum bei Nienburg bei einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der hannoverschen Landeskirche, unter ihnen Landesbischof Ralf Meister. Eindringlich mahnte Zander: "Jetzt seid Ihr dran. Wir haben euch unsere Geschichten gegeben. Macht was draus!"
Zander appellierte auch direkt an Bischof Meister: "Es gehört zu Ihren Aufgaben, das nicht wegzudelegieren. Sie müssen da Ihre Hand drüber halten." In der evangelischen Kirche gebe es viele junge Pastorinnen und Pastoren, die Prävention und Aufarbeitung voranbringen wollten, sagte der Betroffenensprecher, der zum Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie gehört. Sie würden aber häufig ausgebremst. "Ihnen möchte ich den Rücken stärken." Die Landeskirchen müssten für diese Aufgaben Ressourcen schaffen und Geld in die Hand nehmen.
Bischof Meister: Kampf gegen sexualisierte Gewalt erfordert Kulturwandel
Bischof Meister sagte, der Kampf gegen sexualisierte Gewalt erfordere in der evangelischen Kirche neben strukturellen Veränderungen eine Art Kulturwandel. So müsse sich die Kirche von falschen Idealvorstellungen verabschieden. Es werde Zeit brauchen, dies zu verändern: "Das ist eine Auseinandersetzung, die nicht in einer halben Generation erledigt ist." Persönlich sagte der Landesbischof: "Natürlich fühle ich mich schuldig – schuldig für das, was in der Vergangenheit in der Kirche geschehen ist." Zwar tue die evangelische Kirche inzwischen viel gegen sexualisierte Gewalt, doch Meister räumte ein: "Es reicht vorne und hinten noch nicht." Die Podiumsdiskussion war Teil einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum unter dem Titel "Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung". Die Fachtagung dauert noch bis zum Sonntag.
Ende Januar war die erste große Untersuchung zum sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland veröffentlicht worden. Die sogenannte "ForuM-Studie" hatte mindestens 1.259 mutmaßliche Täter und 2.225 Betroffene in den 20 Landeskirchen der EKD sowie der Diakonie festgestellt und von einer vermutlich noch sehr viel höheren Dunkelziffer gesprochen. Zudem hatte die Studie auf kirchliche Strukturen hingewiesen, die die Taten und deren Vertuschung begünstigt hätten. (stz/epd)