Kardinal Marx zu Paragraf 218: Mühsam errungenen Kompromiss belassen
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich am Mittwochabend in die Debatte um die Abtreibungsregelung in Deutschland eingeschaltet. In seiner Predigt bei der ersten feierlichen Maiandacht im Münchner Liebfrauendom forderte er, den "mühsam errungenen Kompromiss" für den Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig kündigte er den Widerstand der katholischen Kirche gegen eine Neuregelung an, die den Schutz des ungeborenen Lebens noch einmal kleiner werden lasse.
"Abgestuftes Lebensrecht" nicht akzeptabel
Wörtlich sagte Marx: "Ein abgestuftes Lebensrecht für Ungeborene, wie könnte das akzeptabel sein? Auf keinen Fall!" Er hoffe sehr, dass die Bundesregierung "klug genug" sei, den errungenen Kompromiss nicht wieder aufzulösen. Seiner Ansicht nach droht andernfalls "ein Kampf in der Gesellschaft über den Schutz des menschlichen Lebens". Der Kardinal erinnerte daran, dass die katholische Kirche über die in den 1990er-Jahren erreichte Lösung nicht überaus glücklich sei. Diese habe jedoch zur Befriedung beigetragen und behalte sowohl "die Not der Frau" als auch "das Recht des Kindes auf Leben" im Blick.
Bisher gelten für Abtreibungen die in Paragraf 218 des Strafgesetzbuches festgeschriebenen Regel. Ein Schwangerschaftsabbruch ist demnach grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hatte Mitte April Empfehlungen für eine neue, liberalere Regelung vorgelegt. So riet sie, die rechtliche Bewertung der Abtreibung aus dem Strafrecht herauszunehmen. In den ersten zwölf Schwangerschaftswochen solle die Abtreibung komplett freigestellt und rechtmäßig sein. Bis zur 22. Woche könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig. (KNA)