"Eine zerstrittene und polarisierte Kirche stößt mehr ab, als dass sie einlädt"

Kardinal Kasper: Kirche braucht mehr Leitung durch Laien

Veröffentlicht am 09.05.2024 um 13:44 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Mehr Einfluss von Nicht-Priestern in der katholischen Kirche ist eine zentrale Forderung in der gegenwärtigen Reformdebatte. Kardinal Walter Kasper hält sie für berechtigt. Denn Priester und Bischöfe hätten vor allem eine Aufgabe.

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Der langjährige Kurienkardinal Walter Kasper hat sich für eine stärkere Übertragung kirchlicher Leitungsaufgaben an nichtgeweihte Katholikinnen und Katholiken ("Laien") ausgesprochen. Zu den vordringlichsten Aufgaben der Bischöfe und Priester zähle eine "den Erfordernissen der Zeit entsprechende Verkündigung" des Evangeliums, sagte er in einem Gespräch mit dem Wiener Theologen Jan-Heiner Tück auf dem Online-Portal "communio.de" (Donnerstag) zum Fest Christi Himmelfahrt.

"Viele andere Leitungsaufgaben sollten wir heute, wie schon in apostolischer Zeit Diakonen oder dazu befähigten Laien, Frauen und Männern, übertragen", fügte Kasper hinzu. Dabei verwies er auf die biblische Apostelgeschichte, in der es auch um die Wahl von Diakonen in der frühchristlichen Gemeinde gehe.

"Eine zerstrittene und polarisierte Kirche stößt mehr ab, als dass sie einlädt", betonte der frühere Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen weiter: "Allein das einmütige Zeugnis und die Praxis der Liebe, der Einsatz für die Armen und die am Rand Lebenden sowie gegen himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen Krieg und Gewalt können unsere Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit neu glaubwürdig machen."

"Kirchliche Weltuntergangsstimmung und Jammerseligkeit"

Kasper verwies auf einen Appell des von den Nazis hingerichteten Jesuiten Alfred Delp. Dieser habe der Kirche vor seinem Tod ins Stammbuch geschrieben: "Die Rückkehr in die Diakonie ist der Ausweg aus der Krise."

In dem Gespräch beklagte Kasper auch eine "kirchliche Weltuntergangsstimmung und Jammerseligkeit". Die gegenwärtige Kirchenkrise sei überaus komplex und habe vielfältige Ursachen: "Der Missbrauchsskandal ist einer, aber nicht der einzige Grund. Es reicht auch nicht aus, mit dem Finger auf die 'böse Welt' und die Säkularisierung unserer westlichen Gesellschaften zu zeigen." Christen sollten sich selbstkritisch den Spiegel vorhalten und fragen, "ob die Krise nicht vor allem Zeichen unserer Christusvergessenheit ist".

Der 91-jährige Kasper war von 1989 bis 1999 Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Dann wurde er in den Vatikan berufen, wo er zuletzt bis 2010 Präsident des päpstlichen Ökumene-Rats war. Der Geistliche, der seit 2001 Kardinal ist, lehrte zuvor lange Theologie in Münster und Tübingen und verfasste mehrere theologische Grundlagenwerke. (KNA)