Ukrainischer Bischof will Diözese in Deutschland schaffen
In München berät seit Dienstag das oberste Leitungsgremium der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) über den Kurs der mit Rom verbundenen Ostkirche. Der Apostolische Exarch für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, Bischof Bohdan Dzyurakh (57), schildert im Interview, wie seine Kirche in Deutschland expandiert. Sein Ziel: Die Ostkatholiken sollen "nicht als etwas Exotisches im Schoß der lateinischen Mehrheit betrachtet werden, sondern als gleichberechtigte Brüder und Schwestern im Glauben".
Frage: Bischof Dzyurakh, wie kommt es dazu, dass die Ständige Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Deutschland tagt?
Dzyurakh: Im Laufe der Jahre hat sich eine Tradition entwickelt, Sitzungen der Ständigen Synode in verschiedenen Eparchien [Diözesen] in der Ukraine und in der Diaspora abzuhalten. Da die UGKK de facto eine weltweite Kirche mit Strukturen auf fast allen Kontinenten ist, tragen solche Besuche des Kirchenoberhaupts und der Ständigen Synode einerseits zur Stärkung der inneren Einheit der Kirche und zur Auffrischung des kirchlichen Lebens in den verschiedenen Ländern bei. Andererseits bieten sie den Bischöfen eine einmalige Gelegenheit, den Zustand der Kirche auf lokaler Ebene besser zu erkennen, eine gemeinsame Vision der Mission der Kirche zu artikulieren und gemeinsam an der Umsetzung dieser Mission zu arbeiten.
Ebenso wichtig ist es für die Ständige Synode, den kirchlichen und gesellschaftspolitischen Kontext kennenzulernen und besser zu verstehen, in dem wir unseren pastoralen Dienst in den Ländern des Exarchats ausüben, insbesondere in Deutschland. Deshalb möchte die Ständige Synode in diesen Tagen ihres Aufenthalts in München "den Herzschlag der Kirche und der deutschen Gesellschaft verspüren", wie es das Oberhaupt unserer Kirche, Seine Seligkeit Patriarch Swjatoslaw, bei der ersten Arbeitssitzung formulierte.
Frage: Tagt das Leitungsgremium zum ersten Mal in Deutschland?
Dzyurakh: Vor genau sieben Jahren, im Mai 2017, tagte die Ständige Synode bereits in Deutschland. Damals fand sie in Freising statt, und die Renovabis-Stiftung der deutschen Katholiken unter der Leitung von Pater Dr. Christian Hartl war maßgeblich an ihrer Durchführung beteiligt.
Frage: Welche Themen stehen jetzt auf der Tagesordnung?
Dzyurakh: In Deutschland wollen wir uns mit den Erfahrungen der katholischen Kirche hier, insbesondere ihren Beziehungen zu Staat und Gesellschaft, besser vertraut machen und die Position deutscher politischer Kreise im Kontext der russischen militärischen Aggression gegen die Ukraine besser verstehen. Gleichzeitig wollen wir dem deutschen Volk, der katholischen Kirche, Politikern, karitativen und ehrenamtlichen Einrichtungen sowie allen Menschen guten Willens in Deutschland unsere aufrichtige Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen für ihre großzügige und treue Unterstützung und Solidarität mit dem ukrainischen Volk und unserer Kirche in dieser schwierigen Zeit.
Frage: Wegen des russischen Angriffskriegs mussten in den vergangenen Jahren viele Ukrainer nach Deutschland fliehen. Hat Ihre Kirche deshalb neue Pfarreien gegründet, oder feiert sie zumindest in mehr Orten in Deutschland Gottesdienste?
Dzyurakh: Ja, natürlich. In den vergangenen Jahren haben wir in etwa 35 Ortschaften neu mit der Seelsorge begonnen. Der Bedarf ist allerdings nach wie vor weitaus größer als unsere derzeitigen Möglichkeiten. Wir sind aber entschlossen, die Seelsorge weiter zu verstärken. Wir müssen unseren pastoralen Dienst langfristig planen, da Umfragedaten darauf hindeuten, dass ein erheblicher Teil der Flüchtlinge langfristig, wenn nicht für immer, hier bleiben wird. Und das stellt uns vor neue Herausforderungen, auf die wir wirksame und zeitnahe Antworten suchen müssen.
Frage: An wie vielen Orten ist Ihre Kirche heute vertreten?
Dzyurakh: In Deutschland haben wir derzeit 84 Gemeinden, in Skandinavien 23. Und diese Zahl wächst ständig.
Frage: Im Januar 2013 hatte Papst Benedikt XVI. die Exarchate in Großbritannien und Frankreich zu Eparchien erhoben. Wünschen Sie sich, dass aus der Apostolischen Exarchie für Deutschland und Skandinavien ebenfalls eine richtige Diözese, also Eparchie, wird?
Dzyurakh: Ich glaube, dass die Zeit dafür reif genug ist. Meiner Überzeugung nach wird es ohne eine solche Änderung für uns immer schwieriger sein, unsere pastoralen Aufgaben in Deutschland und den skandinavischen Ländern zu organisieren und zu koordinieren. Angesichts der neuen Umstände, die durch den Zustrom von über eineinhalb Millionen Flüchtlingen entstanden sind, verfügt unser Exarchat derzeit bei weitem nicht über die Versorgung, die wir benötigen. Dies zeigte auch das Beratungsverfahren einer unabhängigen Firma im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz.
Jetzt warten wir auf praktische Schritte, um sowohl die grundlegende personelle und materielle Unterstützung der Aktivitäten der Exarchatskurie sicherzustellen als auch die Aufnahme neuer Priester. Ich bin den deutschen Bischöfen unendlich dankbar für ihr bisheriges Wohlwollen und die Solidarität mit uns. Das bestärkt uns in der Hoffnung, dass uns diese dringend benötigte Hilfe in naher Zukunft gewährt wird.
Frage: Was würde sich denn konkret ändern, wenn aus Ihrem Apostolischen Exarchat eine Eparchie würde?
Dzyurakh: Das Exarchat stellt kirchenrechtlich eine Vorstufe auf dem Weg zu einer vollwertigen kirchlichen Struktur dar, zu einer Eparchie, das heißt Diözese. Diese Statusänderung würde bedeuten, dass die höchsten kirchlichen Autoritäten die vollendete Entwicklung und Reife unserer Kirchengemeinschaft in Deutschland und den skandinavischen Ländern anerkennen. Darüber hinaus würde ein solcher Schritt das Verständnis der katholischen Kirche in Deutschland für die Besonderheiten der katholischen Ostkirchen ausdrücken, sowie die Wertschätzung ihrer Präsenz und ihres Beitrags zum kirchlichen Leben in Deutschland.
Die Anerkennung unserer Glaubensgemeinschaft als Diözese wird ein konkreter Beweis für das synodale Denken und Handeln der katholischen Kirche in Deutschland und Skandinavien sein, wenn die Ostkatholiken nicht als etwas Exotisches im Schoß der lateinischen Mehrheit betrachtet werden, sondern als gleichberechtigte Brüder und Schwestern im Glauben.
Frage: Jetzt werden Sie erst einmal das 65-jährige Bestehen der deutschen Exarchie feiern.
Dzyurakh: Wir möchten dieses denkwürdige Datum mit einem Dankgebet begehen. Der zentrale Moment der Feierlichkeiten wird daher die Heilige Liturgie an diesem Sonntag sein, der Seine Seligkeit Patriarch Swjatoslaw in Begleitung der Bischöfe der Ständigen Synode und einzelner Gäste vorstehen wird. Im Rahmen der Feierlichkeiten treffen wir uns mit der Leitung der Ukrainischen Freien Universität, mit Vertretern ukrainischer öffentlicher und ehrenamtlicher Organisationen, mit Geistlichen, Ordensleuten und unserer Jugend, die in diesen Tagen ihren Kongress in München abhalten wird.