Osnabrücks neuer Bischof: Mit Benedikt auf dem Synodalen Weg
Kirchenrechtler stehen weder im Ruf, besonders spritzig, noch besonders progressiv zu sein. Bei seiner ersten Ansprache als designierter Bischof im Osnabrücker Dom gelang es dem bisherigen Paderborner Weihbischof Dominicus Meier aber, die anwesenden Gläubigen sofort für sich einzunehmen. Lange und laut applaudierten sie dem Benediktiner, der in seiner Ansprache vier programmatische Sätze aus der Regel des Gründers seines Ordens als Leitplanken für seinen Dienst als Bischof von Osnabrück nannte: "Bist du ein Mensch, der das Leben liebt?", "Höre und neige das Ohr deines Herzens", "Wenn es eine Entscheidung gibt, rufe den Rat der Brüder/Schwestern zusammen" und "Den Eigenarten vieler dienen".
Die Spiritualität des heiligen Benedikt prägt Meier. Nach einer Ausbildung als Justizangestellter beim Amtsgericht in Lennestadt in seiner sauerländischen Heimat – Meier scherzte, dass er auch etwas Richtiges gelernt hat – arbeitete er dort und holte das Abitur nach. 1982 trat er in die Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede ein: Aus Michael Meier wurde Dominicus Meier, der gelernte Justizangestellte studierte Theologie und promovierte im Kirchenrecht.
Sein Kloster nahm ihn 2001 als Abt in den Dienst. Seine Brüder wählten ihn zum dritten Abt der 1928 gegründeten Abtei. Für eine zwölfjährige Amtszeit stand er den Missionsbenediktinern im Sauerland vor. Als Abt gab Meier sich auch erstmals den Wahlspruch, den er als Weihbischof und nun Diözesanbischof beibehalten hat: "Per Christum congregamur", "Durch Christus werden wir zusammengeführt".
Beim Synodalen Weg konsequent für Reformen gestimmt
Bei seiner Vorstellung im Osnabrücker Dom legte Meier die von ihm angeführten Sätze aus der Benediktsregel für sein Bischofsamt aus. Dabei betonte er Motive, die auch den Synodalen Weg prägten, vor allem Vielfalt und Beteiligung. Bei den Synodalversammlungen gehörte er nicht zu den großen Debattenrednern, die das Bild des Synodalen Wegs in der Öffentlichkeit prägten. In seinem Abstimmungsverhalten stützte er die Reformanliegen jedoch auf breiter Linie. Bei allen namentlichen Abstimmungen, an denen er teilgenommen hat, taucht sein Name in der Spalte der Zustimmungen auf: beim Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt, bei Segensfeiern für Paare, die sich lieben, bei Frauen in sakramentalen Ämtern, bei der Verkündigung durch Laien, beim Grundtext zur priesterlichen Existenz heute, beim Handlungstext zum Zölibat, zum Synodalen Rat und zu Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche. Wie schon bei den neuen Erzbischöfen von Paderborn und Bamberg zeigt sich erneut, dass trotz der Spannungen zwischen Rom und den deutschen Bischöfen ein Engagement im Sinn des Synodalen Wegs kein Hinderungsgrund ist, um Diözesanbischof zu werden.
Im Dom bekannte sich Meier zu einigen der Anliegen des deutschen Reformprozesses ausdrücklich. Seine Erfahrungen mit dem Synodalen Weg und dem synodalen Prozess der Weltkirche ermutigten ihn. Aus der Benediktsregel leitete Meier ein Bekenntnis zur Vielfalt ab, explizit auch zur Wertschätzung queerer Menschen, und bekräftigte seine Absicht, das Bistum synodal zu leiten. "Die Verantwortung aller, die Teilhabe aller haben bei Benedikt einen großen Stellenwert: aufeinander hören, miteinander diskutieren und dann gute Entscheidungen treffen, die im Gebet geortet sind. Diese synodalen Strukturen sind bei uns Benediktinern Grundvoraussetzung für ein Leben in Gemeinschaft", sagte Meier. Mit dieser Einstellung komme er nach Osnabrück und wolle gemeinsam mit den Gläubigen dafür Strukturen finden. Ausdrücklich nannte er dabei auch Strukturen, um mit geistlichem Missbrauch und sexualisierter Gewalt umzugehen. Demonstrativ dankte er nicht nur dem Domkapitel, das ihn gewählt hat, sondern auch den Männern und Frauen, die im Vorfeld beteiligt wurden, um über Anforderungen an den neuen Bischof zu beraten. Eine weitergehende Beteiligung war nicht möglich – entsprechende Versuche hatte der Vatikan zuvor in Paderborn gestoppt.
Als Kirchenrichter und Kirchenrechtler an aktuellen Fragen beteiligt
Neben der Berufung als Mönch ist der Beruf des Kirchenrichters eine Konstante in Meiers Leben: Diözesanrichter in Salzburg, Ehebandverteidiger und später Kirchenanwalt in Paderborn, schließlich von 2013 bis 2022 als Offizial oberster Richter im Erzbistum Paderborn. 2021 berief ihn Papst Franziskus als Richter an die Apostolische Signatur, den obersten Gerichtshof der Kirche. Wissenschaftlich befasste sich Meier, der 2000 Professor für Kirchenrecht an der Pallottiner-Ordenshochschule in Vallendar wurde, mit einer immer noch sehr relevanten Materie: Seine Habilitation über Verwaltungsgerichte für die Kirche in Deutschland aus dem Jahr 2001 ist heute noch Standardliteratur. In der Deutschen Bischofskonferenz ist mit Meier nun nach der Emeritierung des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick vor zwei Jahren wieder ein Kirchenrechtsprofessor Mitglied. Schick hatte beim Synodalen Weg zunächst regelmäßig über den Fortschritt der Einrichtung von kirchlichen Verwaltungsgerichten berichtet – später aber gar nicht mehr mangels Fortschritten in Rom.
Im Vatikan dürfte Meier gut vernetzt sein als Richter am Höchstgericht. Die Apostolische Signatur hat nicht nur Aufgaben des obersten Verwaltungsgerichts der Kirche, sondern nimmt auch Aufgaben wahr, die im staatlichen Bereich ein Justizministerium hat, unter anderem die Gerichtsorganisation. Ihre dafür zuständige Sektion muss der Einrichtung von überdiözesanen Gerichten zustimmen. Bisher stockt die Einrichtung von kirchlichen Straf- und Verwaltungsgerichten genau hier.
In der Bischofskonferenz für Migration und Ostkirchen zuständig
Seit 2015 ist Meier Bischof. Papst Franziskus berief ihn zum Weihbischof in Paderborn. In der Deutschen Bischofskonferenz ist er derzeit vor allem für soziale Fragen zuständig: Als stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission meldete er sich immer wieder zu Wort, um im Namen der Bischofskonferenz etwa drohende Menschenrechtsverletzungen bei Abschiebungen anzuprangern oder die Auswirkungen des Klimawandels auf Migrationsbewegungen zu benennen. Außerdem ist er zuständig für den Kontakt zu den katholischen Ostkirchen – durch die Zuwanderung vor allem aus der Ukraine ein wachsendes Feld der Pastoral in Deutschland. Die Ostkirchen als Zeichen für die innerkatholische Ökumene erwähnte Meier in seiner Vorstellung auch neben den anderen christlichen Konfessionen: "Wir brauchen einander, wenn die Einheit in Christus wirklich eine Chance haben soll", betonte der Bischof, zu dessen künftigem Bistum sowohl traditionell katholische wie Diaspora-Regionen gehören.
Meier ist der erste Benediktiner an der Spitze des Bistums Osnabrück seit fast 1.000 Jahren, als die Diözese von Markward von Corvey (1088 bis 1093) geleitet wurde. Die Gruppe der Ordensbischöfe ist durch ihn gewachsen: Ein weiterer Benediktiner, der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke, sowie der Salesianer Stefan Oster in Passau und der Herz-Jesu-Priester Heiner Wilmer in Hildesheim leiten derzeit Diözesen.
Der neue Osnabrücker Bischof stellte sich in seiner Vorstellung in die Kontinuität seines Vorgängers, der bei der Vorstellung im Dom dabei war. Meier dankte Franz-Josef Bode, dessen vorzeitiger Rücktritt aufgrund von Versäumnissen im Umgang mit Missbrauchsfällen im vergangenen Jahr angenommen wurde. Im Dom wurde der Dank an Bode mit großem Applaus quittiert. Bode war über lange Jahre einer der prononciertesten Vertreter eines reformorientierten Flügels des deutschen Episkopats. Das Abstimmungsverhalten beim Synodalen Weg und die erste programmatische Rede deuten darauf hin, dass Osnabrück auch weiterhin in dieser Spur bleibt. Sein Vorgänger, einst jüngster Diözesanbischof und wie Meier zuvor Paderborner Weihbischof, stand 28 Jahre lang an der Spitze des Bistums. Meier wird in diesem Jahr 65 und hat damit zehn Jahre bis zur üblichen bischöflichen Altersgrenze, um das Bistum zwischen Nordsee und Weser zu leiten.