"Die einzige verantwortungsvolle Option"

Missbrauchsbetroffene fordern Rücktritt von Landesbischof Meister

Veröffentlicht am 05.06.2024 um 09:39 Uhr – Lesedauer: 

Hannover ‐ Unmittelbar vor Beginn der hannoverschen Landessynode fordern Missbrauchsbetroffene, dass Landesbischof Meister sein Amt niederlegt. Sie sehen ihn in der Verantwortung für Versäumnisse in der landeskirchlichen Fachstelle für sexualisierte Gewalt.

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Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister ist mit einer erneuten Rücktrittsforderung Missbrauchsbetroffener konfrontiert. Er müsse aus einem unzureichenden Umgang der Landeskirche mit Missbrauchsfällen Konsequenzen ziehen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Offenen Brief: "Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister." Bereits im März hatte eine Missbrauchsbetroffene den Rücktritt des 62-Jährigen gefordert. Der Theologe steht seit 2011 an der Spitze der größten der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.

Meister werden insbesondere Versäumnisse in der landeskirchlichen Fachstelle für sexualisierte Gewalt vorgeworfen. Auch nach einer Neuaufstellung 2021 würden Betroffene "weiterhin sehr negative Erfahrungen" mit der Fachstelle machen, heißt es in dem Brief vom Mittwoch. Mails würden nicht oder nur schleppend beantwortet, Anliegen nicht bearbeitet, Daten teilweise ohne Zustimmung weitergeleitet und "Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind".

Der Brief wurde unmittelbar vor viertägigen Beratungen der hannoverschen Landessynode veröffentlicht, die am Mittwochnachmittag im Kloster Loccum bei Nienburg beginnen sollen. Er wurde für die Initiative "Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers: Meisterhafte Vertuschung beenden!" von den Betroffenenvertretern Dörte Münch, Horst E., Kerstin Krebs und Katharina Kracht unterzeichnet. Sie nehmen Bezug auf eine Rücktrittsforderung der unter Pseudonym auftretenden Missbrauchsbetroffenen Lisa Meyer aus dem März. Meyer hatte maßgeblich die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück vorangetrieben. Sie war in den Jahren 1973 und 1974 als Elfjährige von einem angehenden Diakon der Kirchengemeinde Oesede mehrfach schwer missbraucht worden.

Meister habe Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt

In dem Brief vom Mittwoch heißt es: "Als Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend unterstützen wir die Forderung von Lisa Meyer." Landesbischof Meister habe die Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt. So ein Versagen gefährde Betroffene, die in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt in der Kirche erlebt haben. Es gefährde auch Kinder und Jugendliche, die heute kirchliche Angebote wahrnehmen, "weil Strukturen von Gewalt nicht erkannt und nicht aufgeklärt werden".

Die kirchenleitenden Gremien stellten sich am Mittwoch hinter den Bischof. Sie seien überzeugt, "dass Ralf Meister seiner Verantwortung als Landesbischof gerecht wird, auch, indem er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingeräumt und konkrete Verbesserungen eingeleitet hat", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Sie ist verfasst vom Präsidenten der Landessynode, Matthias Kannengießer, vom Vorsitzenden des Landessynodalausschusses, Jörn Surborg, vom Kollegium des Landeskirchenamtes und vom Bischofsrat. Sie stünden dafür ein, dass es einen grundlegenden Kulturwandel und strukturelle Veränderungen in der Kirche geben werde, versicherten diese.

Erst am Dienstag war ein Brief bekannt geworden, in dem mehr als 200 evangelische Pastorinnen, Diakone und kirchliche Mitarbeitende die Leitung der hannoverschen Landeskirche für deren Umgang mit Missbrauchsfällen kritisieren. Sie seien entsetzt über das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Kirche und den Umgang damit bis in die jüngste Vergangenheit, schreiben sie. "Das Verhalten kirchenleitender Verantwortlicher hat unser Vertrauen in die Kirchenleitung beschädigt", heißt es in dem Schreiben. Landesbischof Meister reagierte mit Verständnis: Der Brief spreche wichtige Punkte an. Er sei sich mit den Briefschreibern einig, "dass in der Vergangenheit große Fehler gemacht wurden". Die Ergebnisse jüngst vorgelegter Studien müssten zu grundlegenden Veränderungen in der Kirche führen. Die Kirchenleitung werde diesen Prozess voranbringen und fördern. (tmg/epd)

5.6., 11:05 Uhr: Ergänzt um Kirchenleitungsgremien.