Die Schweizer stimmen am Sonntag über eine Verfassungsänderung ab

Embryotests Ja oder Nein?

Veröffentlicht am 13.06.2015 um 11:50 Uhr – Von Barbara Ludwig – Lesedauer: 
Bioethik

Zürich ‐ Bisher dürfen in der Schweiz Embryos nicht untersucht werden, bevor sie bei der künstlichen Befruchtung eingesetzt werden. Das könnte sich jetzt ändern: Am Sonntag stimmen die Bürger über eine Erlaubnis der Präimplantationsdiagnostik ab. In der kontroversen Debatte stellen sich die Bischöfe deutlich gegen das Sortieren, Selektionieren und Eliminieren menschlicher Wesen.

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Am Sonntag kommt in der Schweiz eine umstrittene Vorlage zur Abstimmung: Die Bürger entscheiden, ob künftig Embryotests in großem Umfang erlaubt sind. Bundesrat und Parlament wollen das derzeit geltende Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) abschaffen. Die Kirchen lehnen dies ab; die politischen Parteien vertreten ebenso wie die Behindertenorganisationen unterschiedliche Positionen.

Forschung am Embryo soll ausgeschlossen bleiben

Genetische Untersuchungen an Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt wurden, sollen künftig in großem Umfang erlaubt werden. Alle Paare, die eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen, sollen die PID nutzen können - nicht nur Paare mit einer genetischen Vorbelastung.

Nicht angewendet werden darf das Verfahren, "um beim Kind bestimmte Eigenschaften herbeizuführen oder um Forschung zu betreiben", wie es in der Vorlage heißt.
Umstritten war in den Parlamentsberatungen die Anzahl der Embryonen, die in einem Behandlungszyklus hergestellt werden dürfen. Im vorgeschlagenen Verfassungstext heißt es dazu, es dürften nur so viele menschliche Eizellen außerhalb des Körpers der Frau entwickelt werden, "als für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung notwendig sind". Bei der Beratung des Fortpflanzungsmedizingesetzes einigte man sich auf eine Obergrenze von zwölf; heute dürfen maximal drei entwickelt werden.

Über das Gesetz selbst wird am Sonntag jedoch nicht abgestimmt. Falls die Verfassungsänderung vom Volk angenommen wird und in Kraft tritt, wird es zunächst veröffentlicht und kann per Referendum bekämpft werden.

Befürworter der PID argumentieren, die Verfassungsänderung ermögliche Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch eine bessere Behandlung. Die gleichen Tests, die heute während der Schwangerschaft erlaubt seien, sollten auch vor der Übertragung in die Gebärmutter zugelassen werden. Aus Sicht der Gegner ist die PID ein "Instrument der Selektion zur Unterscheidung zwischen 'lebenswerten' und 'lebensunwerten' Menschen". Im Fall der Verfassungsänderung gebe es praktisch keinen Embryonenschutz mehr.

Schweizer Bischöfe gegen Sortieren, Selektionieren und Eliminieren menschlicher Wesen

Auch die Schweizer Bischöfe warnen vor einer Zulassung der PID. Eine Gesellschaft sei dann "im echten Sinn human", wenn sie jedem Menschen volle Würde und vollen Schutz zubillige, hielt die Schweizer Bischofskonferenz schon im November 2014 fest. Die katholische Kirche werde es stets ablehnen, "das Sortieren, Selektionieren und Eliminieren menschlicher Wesen als Fortschritt zu betrachten". Im Mai erklärte sie, die PID sei eine "Selektionstechnik, bei der man sich das Recht anmaßt zu entscheiden, wer es verdient zu leben und wer nicht".

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund lehnt die PID zwar nicht ebenso kategorisch ab; allerdings die Vorlage, über die nun abgestimmt wird. Das Verfahren soll aus der Sicht des Kirchenbundes für Paare mit einer schweren Erbkrankheit erlaubt sein. Die genetisch begründete Selektion von Embryonen stoße jedoch in den "hoch sensiblen und problematischen Bereich der Eugenik" vor, so der Kirchenbund. Daher müsse eine klare und strikte rechtliche Regelung geschaffen werden. Die vorgelegte Revision genüge diesen Bedingungen nicht.

Von Barbara Ludwig