Evangelische Stiftung Bethel will assistierten Suizid dulden
Trotz ethischer Bedenken wollen die von-Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel den assistierten Suizid in ihren Einrichtungen dulden. Die Institution Bethel als bedeutende Trägerin von Kliniken, Hospizen, Heimen und anderen Einrichtungen werde das vom Bundesverfassungsgericht 2020 formulierte Grundrecht ihrer Klientinnen und Klienten auf selbstbestimmtes Sterben nicht verunmöglichen; Dritten soll deshalb Zugang zu entsprechender Beihilfe gewährt werden, erklärte die ehemalige Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, am Montag vor Journalisten in Bielefeld. Sie war im November 2023 als Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurückgetreten. Inzwischen leitet sie die Ethik-Kommission von Bethel.
Der assistierte Suizid sei für Bethel eine diakonische Herausforderung, hieß es bei der Vorstellung eines von der Stiftung beauftragten Rechtsgutachtens. Denn die Unterstützung einer Selbsttötung sei mit dem christlichen Verständnis des Lebens als einer Gabe Gottes nicht vereinbar. Deshalb hätten die von Bodelschwinghschen Stiftungen in Bethel den Aufbau eines eigenen Hilfsangebotes zur Selbsttötung durch die eigenen Mitarbeitenden ausgeschlossen. Denn ein solches Angebot könnte auf subtile Weise Druck auf alte, kranke und behinderte Menschen ausüben, einen Suizid zu begehen, um Partner, Angehörige, Freunde oder die Gesellschaft zu entlasten.
Zugleich gelte es, das individuelle Grundrecht auf selbstbestimmten Suizid zu achten und Hilfe dafür faktisch nicht unmöglich zu machen. Das bedeute aber nicht, die getroffenen Entscheidungen zu billigen. Und: "Dass wir seelsorglich bis zuletzt an der Seite von Menschen bleiben, heißt nicht, dass wir damit Assistenz zum Suizid leisten."
Keine Beteiligung an Durchführung
Die Einrichtungen Bethels selbst beteiligen sich den Angaben zufolge nicht an der Vorbereitung und Durchführung eines assistierten Suizids. Sie hätten grundsätzlich auch keine Pflicht, die Voraussetzungen eines rechtmäßigen assistierten Suizids zu prüfen. Einrichtungen könnten aber zum Eingreifen verpflichtet sein, wenn die Entscheidungsfreiheit des Patienten oder Bewohners nicht gegeben sei.
Bethel-Einrichtung müssen laut Gutachten auch keine Klienten aufnehmen, die primär Suizidhilfe gerade durch Mitarbeitende der Einrichtung begehren, hieß es. Es gelte die Maßgabe, zum (Weiter-)Leben zu ermutigen, "solange dies nicht in ein paternalistisches Bedrängen oder gar aktives Verhindern des Grundrechtgebrauchs umschlägt".
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte das vom Münsteraner Medizinrechtler Thomas Gutmann erstellte Gutachten. Das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht erlaube es freigemeinnützigen Einrichtungen – anders als von Gutmann dargestellt – durchaus, Sterbehilfeorganisationen den Zugang zu verbieten, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Voraussetzung sei jedoch, dass die organisierte Suizidbeihilfe auf allen maßgeblichen Ebenen des Betreibers abgelehnt wird. "Das scheint bei der evangelischen Kirche wohl nicht mehr der Fall zu sein. Damit sind Tür und Tor geöffnet für den Tod aus den Gelben Seiten", so Brysch.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 in einem aufsehenerregenden Urteil ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben postuliert – unabhängig von Alter, Krankheit oder individueller Begründung. Dazu könne der Sterbewillige auch die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen.
Die katholische Kirche lehnt eine Legalisierung der Beihilfe zum Suizid und insbesondere die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen ab. Sie drängt zudem darauf, dass sie in ihren Krankenhäusern, Alteneinrichtungen oder Hospizen keine Beihilfe dulden muss. (KNA)