Kirchen-Zahlen: Kleine Verschnaufpause – doch Tendenz stark rückläufig
Die erste Reaktion aus dem Erzbistum Köln klang wie ein Stoßseufzer. "Der Trend, dass wir Katholiken weniger werden, hat sich fortgesetzt", sagte Generalvikar Guido Assmann dem "Domradio". "Dennoch gibt es auch die positive Entwicklung, dass die Zahl der Austritte im Vergleich zum Zeitraum davor kleiner geworden ist." Es hat den Anschein, als ob die am Donnerstag vorgestellten Zahlen für die Erzdiözese und ihren oft in der Kritik stehenden Kardinal Rainer Maria Woelki so etwas wie eine Verschnaufpause bedeuten.
Auf Bundesebene sieht es ähnlich aus. Laut der Statistik der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) traten im vergangenen Jahr 402.694 Menschen aus der katholischen Kirche aus. Das ist immer noch eine sehr hohe Zahl. Aber der Spitzenwert von 2022 wurde nicht erreicht. Damals kehrten mehr als 520.000 Katholikinnen und Katholiken ihrer Kirche den Rücken.
Anteil der Christen im Sinkflug
Zum Jahresende 2023 gehörten mithin noch immer rund 20,3 Millionen Menschen der katholischen Kirche an. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zählte in der Summe all ihrer Gliedkirchen knapp 18,6 Millionen Mitglieder. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von circa 24 beziehungsweise 22 Prozent, zusammengenommen also ungefähr 46 Prozent. Selbst wenn man Freikirchen und orthodoxe Christen hinzuzählt, sind weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied einer Kirche.
Die Gründe für den Rückgang sind bekannt: Da ist zum einen eine wachsende Entfremdung zwischen Kirchen und Gesellschaft. "Vielen Menschen in unserer Gesellschaft fehlt nichts: Sie sind zufrieden, ohne Gott, ohne Kirche und ohne irgendeinen religiösen Glauben", fasst der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zusammen. Und dann sind da die Fälle von sexuellem Missbrauch und der Umgang damit, die zu einem massiven Ansehensverlust der Kirchen beigetragen haben.
Die EKD hatte ihre Statistik bereits im Mai vorgelegt. Dort fiel die Austrittsquote bei einer Zahl von rund 380.000 fast genauso hoch aus wie bei der katholischen Kirche. Doch der exakte Vergleich der Zahlen ist auch deshalb schwer, weil sich kurzfristig eine zentrale Bezugsgröße geändert hat: Am Dienstag hatte das Statistische Bundesamt die Gesamtzahl der Einwohner in Deutschland auf 82,7 Millionen nach unten korrigiert. Das wird sich letzten Endes auch auf den Anteil der Katholiken und Protestanten auswirken. Die Tendenz bleibt jedoch in beiden Großkirchen unverändert, und das heißt: fallend.
Neben den Austritten, ist die Überalterung ein wichtiger Faktor. Seit Jahren sterben mehr Christen, als durch Taufen hinzukommen. So gab es katholischerseits im Jahr 2023 bundesweit 131.245 Taufen. Die Zahl der Bestattungen war sehr viel höher, sie betrug 226.179. Weiter geht auch der Rückzug in der Fläche. Im Jahr 2022 führte die Statistik 9.624 Pfarreien, im vergangenen Jahr waren es durch Zusammenlegungen und ähnliche Maßnahmen nur noch 9.418.
Kleine Lichtblicke
Es gibt allerdings aus kirchlicher Sicht auch kleine Lichtblicke. Bei den Aufnahmen in die katholische Kirche weist die Tendenz nach oben, wenn auch auf niedrigem Niveau. Im vergangenen Jahr traten demnach 1.559 Menschen in die Kirche ein (2022: 1.447); 4.127 Menschen wurden wieder in die Kirche aufgenommen (2022: 3.753). Unterm Strich jedoch gehen die Verantwortlichen von einem weiteren Schrumpfungsprozess bei den Kirchen aus.
"Wir müssen uns darauf einrichten, dass auch in den kommenden Jahren mehrere Hunderttausend Menschen aus der Kirche austreten", sagt etwa Irme Stetter-Karp."Das zeigt, dass der Wandel der Kirche unvermeidlich ist. Ein Wandel, wie er beim Synodalen Weg in Deutschland aber auch bei der von Papst Franziskus ausgerufenen Weltsynode erörtert wird", sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing warb für Reformen. Die jüngste Statistik bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz als alarmierend. "Die Zahlen zeigen, dass die Kirche in einer umfassenden Krise steckt." Reformen allein würden die Kirchenkrise zwar nicht beheben. "Aber die Krise wird sich ohne Reformen verschärfen. Und deswegen sind Veränderungen notwendig." Für Freitag ist eine neue Gesprächsrunde in Rom angesetzt, bei der Bätzing an der Spitze einer Bischofsdelegation aus Deutschland abermals für Veränderungen in der Kirche eintreten will.