Gutachten: Kirchendach-Einsturz in Kassel war nicht vorhersehbar
Der Dacheinsturz der als documenta-Kunstkirche bundesweit bekannten Elisabethkirche in Kassel war die Folge verschiedener Mängel bei der Planung und der Ausführung der Holzkonstruktion. Das geht aus einem am Donnerstag vom Bistum Fulda vorgestellten Gutachten hervor. Die verschiedenen Ursachen, die zu dem Unglück führten, seien vorab nicht erkennbar gewesen, erklärte der Gutachter Ulrich Huster. Die katholische Kirche Kassel und das Bistum Fulda haben bislang noch nicht entschieden, wann und in welcher Form die Kirche wieder aufgebaut werden soll.
Das eingestürzte Kirchendach stammte aus den 1950er Jahren. Die tragende Dachkonstruktion bestand aus geleimten Balken. Deren Verbindungen im Bereich des Firstes seien aus heutiger Sicht mangelhaft gewesen, heißt es in dem Expertenbericht. Zudem hätten die Balken größer und stabiler ausgeführt werden müssen. Wind und Temperaturunterschiede sowie ein Dachaufbau in den 1980er Jahren hätten die Konstruktion zusätzlich geschwächt. Schließlich habe im Lauf der Jahrzehnte der zum Verleimen der Verbindungen verwendete Kleber an Bindungskraft verloren.
Bei dem Unglück am 6. November 2023 war die gesamte Deckenkonstruktion ins Kircheninnere gestürzt. Alle 26 Dachbalken waren in der Mitte gebrochen. Die Holzkonstruktion lag auf Ziegel-Beton-Wänden, die stehenblieben.
Bei dem Unglück war niemand verletzt worden. Zum Zeitpunkt des Einsturzes war nur ein Kirchenmitarbeiter im Gebäude, er konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Noch am Tag zuvor war die Kirche bei einem Festgottesdienst voller Menschen.
Inzwischen sind die Trümmer beseitigt. Eine provisorische Gerüstüberdachung schützt den Kirchenraum. Die katholische Kirche in Kassel berät gemeinsam mit dem Bistum Fulda über die langfristigen Perspektiven für die Kirche am prominenten Friedrichplatz. Mit einer Umfrage unter den Gemeindemitgliedern sollen Ideen gesammelt werden, sagte der Gemeindepfarrer Andre Lemmer.
Wiedereröffnung von Kirche steht außer Frage
Dem Vernehmen nach steht eine Wiedereröffnung der Kirche außer Frage. Ein einfacher Wiederaufbau des Daches ohne weitere Veränderungen der Kirche ist aber unwahrscheinlich. Zunächst brauche es ein langfristig tragfähiges Konzept für die künftige Nutzung der Kirche und des benachbarten, ebenfalls sanierungsbedürftigen Gemeindezentrums. Diskutiert wird über verschiedene Nutzungen des Kirchenareals für Gottesdienst und Gebet, als Raum für Kunst und Kultur sowie als Begegnungsort oder Cafe. Auch der Bau von Wohnungen oder die Einrichtung von Co-Working-Spaces auf dem Kirchengrundstück wären denkbar.
In der Elisabethkirche fanden vor dem Dacheinsturz außer Gottesdiensten häufig kulturelle Veranstaltungen statt, beispielsweise auch begleitend zur Weltkunstausstellung documenta. Ihr Vorgängerbau aus dem Jahr 1770 war während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden. (KNA)