"Abartig!": Glettler verurteilt Zerstörung der "gebärenden Maria"
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hat sich erschüttert über den Angriff auf die Skulptur einer gebärenden Maria gezeigt. "Der Figur, die nicht an einem expliziten Andachtsort, sondern in der sonst ungenützten, durch zwei Glastüren erreichbaren Turmkammer aufgestellt war, wurde von einem unbekannten Täter schlichtweg der Kopf abgesägt. Abartig!", schreibt Glettler in einem Kommentar für die österreichische Wochenzeitung "Die Furche" (Donnerstag). Auch wenn tatsächlich religiöse Gefühle von Gläubigen verletzt worden seien, sei "dieser grauenhafte Akt durch nichts zu rechtfertigen". Die Tat lasse auf bösartige Energie schließen und wirke bedrohlich. "Ist nicht der Schritt von der mutwilligen Zerstörung einer menschlichen Skulptur bis hin zur realen Gewaltanwendung – in diesem Fall gegenüber Frauen – relativ klein?", so Glettler, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für den Bereich Kunst und Kultur zuständig ist.
In der vergangenen Woche war der Skulptur namens "crowning" von einem bislang unbekannten Täter der Kopf abgesägt worden. Das Kunstwerk im Linzer Mariendom zeigt eine auf einem Felsen sitzende, gebärende Gottesmutter. "Die meisten Marienbildnisse wurden von Männern angefertigt und haben dementsprechend oft patriarchalen Interessen gedient", erklärte die Künstlerin Esther Strauß selbst den Hintergrund der umstrittenen Skulptur.
Kunstwerk sei "radikales Korrektiv"
Maria als Gebärende sei zweifelsohne ein fragwürdiges Bild, räumt Glettler in seinem Kommentar ein. "Vor allem kommt es ins Gehege der theologischen Schutzzone, die von der Kirche mit dem Dogma von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens aufgestellt wurde." Damit werde jedoch keine biologische Auskunft gegeben, sondern auf Gott selbst hingewiesen, der sich seiner Welt zum Geschenk mache. Die Kirche halte fest, dass Maria "der uneingeschränkt offene Raum für Gottes Eintritt in unser Menschsein" gewesen sei. "Ausgehend davon wäre es viel eher blasphemisch, sich Gott vom Leibe halten zu wollen und ihn hinauf in seine himmlische Turmkammer zu entsorgen."
Das Kunstwerk von Esther Strauß bezeichnete Glettler als "radikales Korrektiv". Die Künstlerin habe ihre Maria als Ergänzung zu zwei Figuren aus der Linzer Domkrippe entworfen. Dort gibt es eine Figur, die am Heiligabend vor dem Neugeborenen kniet und eine zweite, die zu Dreikönig mit einem auf ihrem Schoß thronenden kleinen Jesus dargestellt wird. Strauß frage daher zu Recht nach der offensichtlichen Fehlstelle: "Warum wurde das zentrale Geheimnis der Geburt bisher nicht dargestellt? Weil Mann (!) es nicht wollte?" Die Figur der Gebärenden sei ein persönlicher Versuch einer Antwort. (cbr)