Standpunkt

Taizé muss seine Missbrauchsfälle jetzt konsequent aufarbeiten

Veröffentlicht am 25.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Stefan Orth – Lesedauer: 

Bonn ‐ Taizé hat es sich im Umgang mit Missbrauchsfällen in den eigenen Reihen allem Anschein nach zu einfach gemacht, kommentiert Stefan Orth. Wenn Taizé als Ort gelebter Einfachheit eine Zukunft haben wolle, brauche es jetzt konsequente Aufarbeitung.

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Es war für viele mehr als eine unangenehme Überraschung, als vor fünf Jahren von Missbrauchsfällen auch in Taizé die Rede war. Prior Frère Alois war in den letzten Jahren seiner Amtszeit – vor dem Wechsel im vergangenen Jahr – deutlich anzumerken, wie sehr ihn die Vergehen seiner Brüder, aber auch das Versagen der Gemeinschaft als Ganzer belastet haben. Vergangenen Monat wurde einer von ihnen wegen Besitz von Kinderpornografie verurteilt. Vom ganzen Ausmaß wollen viele Brüder erst aus der Urteilsbegründung erfahren haben.

Der Fall Taizé zeigt, wie bei vielen anderen geistlichen Gemeinschaften auch, dass gerade beim Akzent auf einer lebendigen Spiritualität eigene Gefahren lauern – zumal Taizé als einer der Orte für Jugendliche schlechthin ein denkbar großes Risikopotenzial bedeutet.

Taizé als Ort überzeugend gelebter Einfachheit im Glauben hat es sich hier allem Anschein nach zu einfach gemacht. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat gezeigt, wie wichtig eine gute Prävention, eine schnelle Intervention und eine ernsthafte Aufarbeitung sind. Das alles ist nicht trivial. Über all das muss vor allem mehr oder weniger offen geredet werden, auch wenn es anstrengend ist.

Taizé hat weiterhin das Potenzial, mit seiner beeindruckenden Mischung aus spirituellem Tiefgang und gelebter Gemeinschaft in ökumenischer Weite, anrührender Innerlichkeit und sozialem Engagement weltweit für zeitgemäße Ausdrucksformen christlichen Glaubens eine extrem wichtige Rolle zu spielen. Das kann gelingen, wenn man sich in Zukunft an den Standards der Kirchen nach den bitteren Erkenntnissen über sexualisierte Gewalt auch in den eigenen Reihen messen lässt. Kein Gegenargument ist, dass es wie in allen Teilen der Gesellschaft immer wieder Fälle von Missbrauch geben dürfte. Entscheidend ist der konsequente Umgang damit.

Von Stefan Orth

Der Autor

Dr. Stefan Orth ist Chefredakteur der "Herder Korrespondenz".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.