Kolonien der Herrnhuter Brüdergemeine sind Unesco-Welterbe
Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine in Deutschland, Großbritannien und den USA sind in die Welterbeliste aufgenommen. Das entschied das Unesco-Welterbekomitee am Freitag in Neu Delhi auf seiner jährlichen Sitzung. Gemeinsam mit dem bereits 2015 ausgezeichneten Christiansfeld in Dänemark sind die Bauwerke der evangelischen Glaubensgemeinschaft damit nun Teil des Menschheitserbes. Deutschland zählt damit 53 Welterbestätten.
Die frisch gekürte Welterbestätte erinnere daran, dass Bildung, Solidarität und Inklusion "für unsere Gesellschaften eine besondere Verpflichtung bleiben", sagte Deutschlands Botschafterin bei der Unesco, Kerstin Pürschel. Die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, betonte, die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine stünden für den kulturellen und geistigen Austausch über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. "Sie sind in Vielfalt vereint und damit ein Sinnbild für die Welterbeidee." Dass sich vier Staaten gemeinsam für diese Auszeichnung eingesetzt haben, sei ein starkes Zeichen.
Regionale Besonderheiten und passende Türen
Die Siedlungen der Herrnhuter wurden überall nach denselben Grundsätzen geplant und zeichnen sich nach den Worten der Unesco dennoch durch regionale Besonderheiten aus. "Im einheitlichen Städtebau und der schlichten Architektur spiegeln sich die Ideale der Religionsgemeinschaft und ihre gemeinschaftsorientierte Lebensweise wider. Zur nun gekürten transnationalen Welterbestätte gehören die charakteristischen Siedlungen Christiansfeld in Jütland, Bethlehem in Pennsylvania, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen, wo die Siedlungsgeschichte im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm".
Die evangelische Freikirche der Herrnhuter Brüdergemeine geht zurück auf Graf Nikolaus Ludwig Zinzendorf, der als sächsischer Hof- und Justizrat um mehr religiöse Toleranz warb und 1722 protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren auf seinem Gut Berthelsdorf, rund 70 Kilometer von Dresden entfernt, Schutz bot. Der Zufluchtsort "unter des Herrn Hut" in der Oberlausitz wurde so zur Keimzelle der Brüdergemeine.
Görlitzer Bischof Ipolt gratuliert "in ökumenischer Verbundenheit"
Die dort entwickelten Prinzipien prägten die Siedlungen bis heute weltweit, so die Unesco. "Viele Gotteshäuser der Gemeinschaft sind dem Herrnhuter Kirchensaal nachempfunden: Ohne Kanzel, ohne Altar, ganz in Weiß gehalten. Gepredigt wird nicht von oben herab." Auf dem Gottesacker, dem Friedhof der Stadt, symbolisierten einfache, flach auf dem Boden liegende Grabsteine die Gleichheit der Menschen vor Gott. Der Herrnhuter Barock habe einen betont schlichten Baustil hervorgebracht, der auch eine eigene Maßeinheit hervorbrachte, die die Brüdergemeine weltweit miteinander verbinde: "So passen Türen aus dem Berthelsdorfer Schloss problemlos in die Gebäude der Herrnhuter in den USA oder Dänemark."
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt gratulierte der Brüdergemeine "in ökumenischer Verbundenheit" zur Aufnahme der Siedlungen der Gemeinschaft in die Welterbeliste. "Wir freuen uns mit Ihnen, dass die Gebäude in Herrnhut nun zum Weltkulturerbe gehören werden. Wir sind uns sicher einig darin, dass es dabei nicht allein um die besondere bauliche Anlage geht. Es ist ein schönes Zeichen besonders für Sie, die Gläubigen der Brüdergemeine, die das Wort Gottes heute lebendig halten und daraus leben"; so Ipolt in einem Brief an die Brüdergemeine im sächsischen Niesky. Inmitten einer säkularen und glaubensfremden Umgebung werde damit eine Ehrung ausgesprochen, die weit über die Glaubensgemeinschaft hinaus Bedeutung habe. (stz/KNA)
Das fehlende "d"
Der Name Herrnhuter Brüdergemeine klingt für heutige Ohren ungewöhnlich oder sogar falsch. Müsste es nicht eigentlich Brüdergemeinde – mit "d" – heißen? Nein, die Gemeinschaft heißt tatsächlich Brüdergemeine. Das fehlende "d" ist der Sprache des 18. Jahrhunderts geschuldet; man sprach damals von der "Gemeine". Erst später setzte sich der Begriff "Gemeinde" durch. Im Eigennamen der Brüdergemeine fehlt das "d" deshalb bis heute.