Ordensmann zur Klosterschließung: "Schwestern wollten das nicht"
Wegen unlösbarer Konflikte soll das Kloster der Klarissen in Bautzen aufgelöst und damit deren Standort im Bistum Dresden-Meißen aufgegeben werden. Zisterzienserpater Johannes Müller begleitet die Schwestern bei diesem schmerzlichen Prozess. Im Interview mit katholisch.de berichtet der Ordensmann, wie es den Klarissen nun ergeht und wie es überhaupt zu den internen Streitigkeiten kam.
Frage: Pater Johannes, welcher Konflikt steckte hinter der Auflösung der Klarissen-Gemeinschaft in Bautzen?
Pater Johannes: Letztlich spalteten die Schwesterngemeinschaft die unterschiedlichen Auffassungen der klösterlichen Lebensweise, des Miteinanders und auch, wer das Sagen hat. Die Schwestern waren sich nicht mehr einig in diesen Fragen, und letztlich ging es auch um Macht – wie leider so oft. Die frühere Äbtissin lebte auf Wunsch des Bischofs jahrelang außerhalb des Klosters. Es wurde von der kirchlichen Obrigkeit von ihr verlangt, ins Kloster zurückzukehren, was zu neuen Spannungen führte. Letztlich ist die Gemeinschaft an den Streitfragen zerbrochen. Natürlich sind sich die acht Schwestern dort nicht gegenseitig an die Gurgel gegangen. Doch sie leben auf engstem Raum zusammen und in sehr einfachen Verhältnissen. Dort konnten sie sich nicht so leicht aus dem Weg gehen, wie es bei größeren Gemeinschaften der Fall ist. Mit der Zeit waren die Konflikte für sie nicht mehr zu überwinden.
Frage: Gab es Versuche, die Spannungen zu befrieden, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um den Konflikt beizulegen?
Pater Johannes: Ja, die gab es. Es gab Visitationen und mehrere Gespräche. Daraus wurde dann die Konsequenz gezogen, dass das gemeinsame Leben der acht Schwestern nicht mehr möglich war. Die Schwestern haben versucht, den Konflikt zu lösen, indem sie sich auf zwei Standorte verteilten. Eine kleine Gruppe von Schwestern ist mit der früheren Äbtissin erst weggezogen, lebt heute bei den Nazarethschwestern in Goppeln. Eigentlich wollte die Gemeinschaft in zwei Gruppen, also an zwei Orten weiterleben. Aber das wurde letztlich nicht genehmigt.
Frage: Das heißt, die Schwestern selbst wollten nicht weggehen?
Pater Johannes: Nein, die Schwestern wollten ihr Kloster in Bautzen nicht auflösen. Das Ordensdikasterium in Rom hat die Auflösung des Klosters beschlossen. Das ist der Rechtsweg, also die zuständige Instanz in einem solchen Fall.
Frage: Wann genau wurden die Schwestern über die Auflösung informiert?
Pater Johannes: Die Schwestern haben es in der Karwoche über mich erfahren, dass die Auflösung in Rom bereits beschlossen war. Es war schlimm für uns alle und löste einen großen Trauerprozess aus. Den Klosterstandort der Klarissen hier in Bautzen gibt es schon seit fast 100 Jahren und manche Schwestern haben Jahrzehnte dort verbracht. Sie haben wegen der strengen Klausur das Kloster kaum verlassen. Das heißt, ihre Bindung an den Ort ist sehr stark – und nun wird das Kloster aufgelöst. Wir hatten gehofft, dass wir das hinkriegen mit den beiden Standorten. Aber als das mit der Auflösung dann rauskam, war es ein Schock für die ganze Gemeinschaft.
Frage: Wie kamen Sie zu der Aufgabe, dass Sie die Schwestern in dem Auflösungsprozess begleiten?
Pater Johannes: Die Schwestern haben selbst vorgeschlagen, dass ich sie in diesem Prozess begleiten soll. Ich wurde dann, als die Amtszeit der Äbtissin auslief, als päpstlicher Kommissar beauftragt – gemeinsam mit Barbara Köhler, einer ehemaligen Offizialatsrätin. Die Schwestern nennen mich scherzhaft "Vater Äbtissin", weil ich die Funktion des Oberen für sie wahrnehme. Ich habe aber Schwester Michaela Damm als Hausoberin ernannt, die sich vor Ort im Kloster in Bautzen sehr gut um alles kümmert. Ich kann vieles von der Situation verstehen, da ich Ähnliches selbst in Himmerod erlebt habe.
Frage: Sie waren in Himmerod sogar Abt. Auch ihr Kloster wurde damals aufgelöst …
Pater Johannes: Ja, deshalb hatten mich die Schwestern auch vorgeschlagen, weil ich mich sozusagen in diesen Dingen schon auskenne und ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Auch die Zisterzienserabtei Himmerod wurde vor einigen Jahren aufgelöst. Die kanonische Auflösung kann aber erst geschehen, wenn alle Mitglieder ihren neuen Weg gefunden haben. Das ist auch für Bautzen so mit dem Ordensdikasterium besprochen. Aber natürlich muss ich zugeben, dass es ein Scheitern der Gemeinschaft ist. Wenn jeder dem hohen Anspruch von Demut und Gehorsam nachkommt und sich ganz zurücknimmt, dann kann es gelingen, dass es kaum Konflikte gibt. Aber Menschen sind halt nicht perfekt, so ist das nun mal. Wir haben es in Himmerod nicht hinbekommen und die Schwestern in Bautzen haben es auch nicht geschafft.
Frage: Sie leben heute in einem Frauenkloster?
Pater Johannes: Ja, ich lebe im Klosterbereich der Zisterzienserinnenabtei Marienstern. Ich bin dort als Kaplan tätig und auch als Krankenhausseelsorger in Bautzen und Ebersbach. Außerdem bin ich jede Woche für einen Tag bei den Zisterzienserinnen in Marienthal. Ich bete zusammen mit den Schwestern das Chorgebet, das ist sehr schön – und mir sehr wichtig. Aber ansonsten lebe ich für mich allein, bin aber an das Kloster Langwaden angebunden. Für mich war das nach der Auflösung meiner eigenen Abtei so ein guter Weg.
Frage: Auch die Schwestern in Bautzen liegen Ihnen sehr am Herzen?
Pater Johannes: Ja, mir geht es mehr um die Menschen als um das "System". Die Nonnen in Bautzen sind ein kontemplativer Orden, der sich der Anbetung der Eucharistie verschrieben hat. Ich finde es sehr schön, dass die Schwestern das weiterhin tun wollen und ihrer Berufung treu bleiben. Alle wollen einen guten Ort finden, wo es mit ihrer Berufung weitergehen kann. Für die drei Schwestern in Goppeln suchen wir noch nach einer Bleibe. Drei der Schwestern in Bautzen wechseln ins Klarissenkloster nach Dingolfing, eine ins Mutterkloster in Troyes und eine Schwester in der Probezeit der zeitlichen Profess beendet ihr Ordensleben und beginnt eine Handwerksausbildung. Bis Ende September werden alle Nonnen das Kloster in Bautzen verlassen haben. Die ewige Anbetung verbindet sie weiterhin miteinander – und ihre Liebe zu Christus. Der wollen sie unbedingt treu bleiben.