Was zum Schulstart in den mentalen Ranzen gehört

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ich verbringe gerade die letzte Ferienwoche in einem Kloster. Vor einigen Tagen wurde bei der Tischlesung das 59. Kapitel aus der 1.500 Jahre alten Benediktsregel vorgelesen. Dort heißt es: "Wenn ein Vornehmer seinen Sohn im Kloster darbringt und dieser noch ein Kind ist", dann sollen die Eltern "unter Eid versprechen, dass sie niemals selbst, auch nie durch eine vorgeschobene Person noch auf irgendeine andere Weise dem Knaben etwas schenken oder ihm die Möglichkeit bieten, etwas zu besitzen". (RB 59,1.3)
Heutzutage bringen Eltern nicht mehr ihre minderjährigen Kinder im Kloster unter, in der Hoffnung, dass sich daraus eine Win-Win-Situation bis in die Ewigkeit ergibt. – Zeitsprung: In wenigen Tagen enden in Nordrhein-Westfalen die Sommerferien und für rund 180.000 ABC-Schützen beginnt die Schulzeit, ähnlich viele wechseln auf eine weiterführende Schule.
Nun ist eine Schule kein Kloster und der Inhalt eines Schultornisters – von B wie Bleistift bis Z wie Zirkelkasten – hat wenig mit Besitzlosigkeit zu tun. Aber hier wie dort stehen die Kinder vor der Herausforderung, sich als Individuen in ein bestehendes System und in den sich neu bildenden Klassenverband einzufügen, während die Eltern vor der Aufgabe stehen, ihr Kind ein Stück weit loszulassen.
Was von dem, was Eltern in den "mentalen Schulranzen" ihrer Kinder packen, ist wenig hilfreich, entpuppt sich gar als Ballast? – Ich denke da an die eigenen Wünsche, Ängste oder Träume, die (unwissentlich) auf das Kind übertragen werden: dass es gute Noten nach Hause bringt, ein tolles Abitur macht und später mal Medizin studiert, dass es sich nichts gefallen lässt… Ich denke an den Satz "Mein Kind tut so etwas nicht!", der nicht geeignet ist, Konflikte, die sich in der Schule nun mal ergeben, konstruktiv zu lösen.
Umgekehrt: Was können Eltern neben Butterbrotdose und Federmäppchen als Verpflegung und Werkzeug in den "mentalen Schulranzen" ihrer Kinder packen? – Da denke ich an Neugier und den Mut, Fragen zu stellen; an echte Freude über Erfolge und Gelassenheit und Frustrationstoleranz im Umgang mit Misserfolgen (sowohl auf Seiten der Kinder wie auch auf Seiten der Eltern). Ich denke an das Verständnis dafür, dass wir immer wieder in der Spannung stehen zwischen den eigenen Wünschen und Ansprüchen und den Spielregeln der gesellschaftlichen Systeme, in denen wir uns bewegen.
Und aus der Erfahrung mit SchülerInnen, die die Versetzung oder das Abitur nicht geschafft haben, sollte auf jeden Fall dieser Satz ins Gepäck: "Was auch immer passiert, komm nach Hause. Wir können über alles reden."
Die Autorin
Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.