Religionssoziologin: Strengere Klausur für Frauenorden hinterfragen
Die Schweizer Religionssoziologin Isabelle Jonveaux stellt den Nutzen strengerer Klausurregeln für kontemplative Frauenorden als für Männerorden in Frage. "Macht die päpstliche Klausur noch Sinn, wenn sie erstens dem heutigen Frauenbild nicht mehr entspricht und zweitens potenziell zu mehr Missbrauchsformen führen kann?", schreibt die Religionssoziologin in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag für das Theologische Feuilleton "feinschwarz.net". Frauen, die heutzutage in Europa ins Kloster eintreten, seien durchschnittlich 30 Jahre alt, hätten ein Studium absolviert sowie Erfahrungen in der Arbeitswelt und oft sogar eine Beziehung gehabt. Zudem habe sich die Wahrnehmung der Frauen in der Theologie entwickelt. "Darf noch länger übersehen werden, dass die päpstliche Klausur zu einer größeren Abhängigkeit und Infantilisierung der Frauen führt, was den Nährboden für verschiedene Formen des Missbrauchs fördert?" Jonveaux ist Leiterin des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts Suisse Romande (SPI Suisse Romande) und unterrichtet an der Universität Fribourg.
Einige kontemplative Frauenorden, wie etwa Klarissen oder Karmelitinnen, sind zum Teil bis heute der sogenannten "päpstlichen Klausur" unterworfen. Diese schreibt strenge Regeln vor. Durch die 2018 veröffentlichte Instruktion "Cor orans" regelte Papst Franziskus das Leben in den weiblichen kontemplativen Konventen neu. Das Dokument "scheint die päpstliche Klausur zwar etwas zu lockern, aber sie bekräftigt als Besonderheit der Klöster von kontemplativen Nonnen (aber nicht von kontemplativen Mönchen)", so Jonveaux.
Potenziell mehr Missbrauchsformen
Durch die strengere Klausur sieht die Wissenschaftlerin einige negative Folgen für Ordensfrauen. So ließe diese potenziell mehr Missbrauchsformen zu. "Diese Unterschiede, die ich im Laufe meiner 20 Jahre Feldforschungen in Klöstern in Europa, Afrika und Argentinien beobachtet habe, konnte ich 2024 durch eine Umfrage bei einer gemischten Zisterzienserkongregation in Europa quantifizieren, die gerade versucht, die Prävention gegen Missbräuche zu verbessern."
Eine weitere Ungleichheit liege im Zugang zum Studium oder zu Ausbildungen außerhalb des Klosters. Dabei seien ein Studium oder Ausbildungen wichtige Bedingungen, um Missbrauchsformen reduzieren zu können. "Nicht nur gewinnen die Schwestern durch gute Bildung einen kritischen Sinn, um besser erkennen zu können, was in ihrer Gemeinschaft eventuell problematisch wäre, sondern sie erlaubt auch, die (theologischen) Wissensressourcen im Kloster besser aufzuteilen, damit Priester dort kein Wissensmonopol behalten."
Dass Nonnen in solchen Orden zudem stärker von der Genehmigung der Oberin abhängig seien, führe unter anderem dazu, dass es Unterschiede bei der medizinischen Versorgung zwischen Mönchen und Nonnen gebe. "In den offenen Fragen erwähnen mehrere Frauen, dass ihnen der Zugang zu medizinischer, insbesondere zu psychologischer Versorgung verwehrt wurde." Auch das weitestgehende Fehlen von Kontakten zur Außenwelt bei Frauen in kontemplativen Orden berge Risiken: "Gesunde Beziehungen mit Außenpersonen erlauben jedoch einen Abstand von den Erfahrungen in der Gemeinschaft zu gewinnen und so besser erkennen zu können, wenn etwas nicht in Ordnung ist." (mal)