Standpunkt

Kinderrechte statt Tatort – eine wunderbare Sonntagspredigt

Veröffentlicht am 20.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Katharina Goldinger – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am Sonntag hatte sich Katharina Goldinger auf den Tatort gefreut – aber was sie stattdessen bekam, war noch besser: Kinderrechte zur besten Sendezeit. Für sie steckt in dem überraschenden Fernsehprogramm viel christlicher Geist.

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Ich bin Tatort-Fan. Ein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bin ich ohnehin, weil man sich die Folgen nicht regulierter, nach rein kommerziellen Spielregeln funktionierender (Selbst-)Inszenierung wunderbar in den sozialen Medien anschauen kann. Ich schätze ausgewogene Berichterstattung, gründliche Recherche und relevante Information. Selbstverständlich gibt es auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gründe für einen kritischen Blick. So wird zum Beispiel immer wieder bemängelt, der Bildungsauftrag käme in der konkreten Programmgestaltung zu kurz.

Ein vorbildhaftes Gegenbeispiel war das Primetime-Format am vergangenen Sonntag: Tatort-Fans wie ich räkelten sich zu Tausenden auf deutschen Sofas und erwarteten eine Wiederholung aus Münster. Schon das Tatort-Intro sorgte allerdings für Irritation. Die im Vorspann eingeblendeten Nahaufnahmen von Augenpaaren wirkten seltsam fremd. Statt des Ermittlerduos aus Münster betrat die deutsche Satirikerin Carolin Kebekus die Bildfläche. In den folgenden 15 Minuten wurde sie durch ein Team von Kindern unterstützt, die in den Settings von ARD-Erfolgsformaten wie "Tagesschau", "Morgenmagazin" und "Gefragt gejagt" auf die Belange ihrer Generation aufmerksam machten. Sie lenkten den Blick damit auf Kinderrechte, die noch immer nicht im Grundgesetz stehen. Dabei wären sie wichtig, denn Gewalt gegen Kinder findet statt, Kinder leiden vielfach unter Mobbing und Ausgrenzung, Bildung genießt nicht den Stellenwert auf der politischen Agenda, der dem Thema angemessen ist – kurz gesagt: Kinder haben keine gute Lobby. Das liegt an fehlenden rechtlichen Grundlagen und an der demografischen Entwicklung. In einer Demokratie bestimmen Mehrheiten die Schwerpunkte politischen Handelns. Die Mehrheit der Deutschen ist aber alt. Außerdem werden Kinder nach wie vor viel zu selten in die Entscheidungen eingebunden, die sie selbst betreffen.

Mich hat das ARD-Format "#kinderstören" absolut überzeugt. Es steckt viel von dem Geist darin, der für mich den christlichen Glauben ausmacht: Solidarität mit denen, die sie brauchen. Begegnung auf Augenhöhe – inklusive der Übernahme des Risikos, dass ein solches Experiment auch scheitern kann. Keine schnelle, um des Echauffierens willen verkürzte Teasersprache à la TikTok oder Instagram. Stattdessen: Ruhiges Erzählen einer frohen Botschaft. Sie lautet: Lasst uns zusammen die Welt verändern, damit sie ein guter Ort für alle wird. Dazu bietet #kinderstören konkrete Denk- und Handlungsoptionen an. Eine wunderbare Sonntagspredigt zur Primetime war das. Gerne mehr davon!

Von Katharina Goldinger

Die Autorin

Katharina Goldinger ist Theologin und Pastoralreferentin im Bistum Speyer und Religionslehrerin an einem Speyerer Gymnasium. Sie ist sehr gerne in digitalen (Kirchen-)Räumen unterwegs und ehrenamtlich im Team der Netzgemeinde da_zwischen aktiv.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.