Nach Kritik an mangelnder Unabhängigkeit

Präses Latzel verteidigt Missbrauchsaufarbeitung in rheinischer Kirche

Veröffentlicht am 20.08.2024 um 12:29 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Kritiker vermissen eine externe Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Leitende Geistliche Thorsten Latzel widerspricht – jedenfalls mit Blick auf seine rheinische Landeskirche.

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Die Missbrauchsaufarbeitung der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) hat der Leitende Geistliche Thorsten Latzel gegen Kritik verteidigt. "Wir sind ganz klar für unabhängige Aufarbeitung", sagte der Präses im Interview der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Dies geschehe in der regionalen Aufarbeitungskommission für die Region West, die im Herbst ihre Arbeit aufnehmen werde. Dort sitze die Landeskirche zwar mit am Tisch, habe aber keine Mehrheit.

Latzel reagierte auf Kritik des Bochumer Jura-Professors Jacob Joussen. Der begründete seinen vorzeitigen Rückzug aus dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter anderem damit, dass die Missbrauchsfälle der Kirche nicht von außerhalb aufgearbeitet werden. "Eine Institution wie die EKD kann sich nicht selbst aufarbeiten."

Mit Blick auf seine Landeskirche wies Latzel den Vorwurf zurück. Alle 70 Missbrauchsfälle der rheinischen Kirche, die in der im Januar vorgestellten EKD-Missbrauchsstudie aufgeführt sind, seien der Staatsanwaltschaft zur Prüfung übergeben worden. Auch ein Strafrechtler schaue sich die Fälle an. Zudem würden aktuell Wissenschaftler mit fallbezogenen Studien beauftragt. "Uns liegt sehr an unabhängiger, externer Aufarbeitung unter Einbeziehung der Betroffenen – auch wenn wir als Kirche der Auftraggeber sind."

Versagen "auch bei Menschen auf den Leitungsebenen unserer Kirche"

Eine Untersuchung fasst laut Latzel die Internate ins Auge, die seit 1946 in evangelischer Trägerschaft auf dem rheinischen Kirchengebiet waren. Eine andere Studie beschäftige sich mit den problematischen Wirkungen früherer Sexualpädagogik. Nach Latzels Worten gab es auch institutionelles Versagen beim Umgang mit Missbrauchsfällen, "auch bei Menschen auf den Leitungsebenen unserer Kirche". Damit werde sich die regionale Aufarbeitungskommission befassen.

Bei der 2021 eingerichteten Meldestelle der rheinischen Kirche für Verdachtsfälle sind nach Angaben des Präses bis Ende Juni 2024 insgesamt 108 Meldungen eingegangen. Diese dürften aber nicht einfach zu den 70 Fällen aus der EKD-Studie addiert werden, da es Schnittmengen gebe. Bisher hat die Evangelische Kirche im Rheinland rund 2,5 Millionen Euro an Missbrauchsbetroffene in Anerkennung ihres Leids gezahlt, wie Latzel ausführte. 540.000 Euro seien an 35 Betroffene gegangen. Weitere rund 2 Millionen Euro hätten 134 Menschen bekommen, die in Heimen der Diakonie Missbrauch erlitten hätten.

Die Evangelische Kirche im Rheinland umfasst weite Teile von NRW, von Rheinland-Pfalz und des Saarlands sowie zwei Kirchenkreise in Hessen. Mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern ist sie die zweitgrößte Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland. (KNA)