Guter Rat ist weiblich
Gianfranco Ravasi deswegen als "Querdenker" zu bezeichnen, führte in die Irre: Er ist eher ein Denker, ein Leser - seine Privatbibliothek zählt mindestens 7.000 Bände - und ein Hörer. Auf Anregung von Papst Benedikt XVI. rief der gebürtige Norditaliener vor Jahren einen gezielten Dialog mit Nichtglaubenden ins Leben, den in immer neuen Städten gastierenden "Vorhof der Völker". Damit verwirklichte Ravasis Kurienbehörde, der Päpstliche Rat für die Kultur, das "An-die-Ränder-Gehen" noch bevor Papst Franziskus antrat und die Peripherie zum Leitstern seines Pontifikats ausrief.
Nun also erbittet Kardinal Ravasi sich Rat von einem Rand, der so randständig gar nicht aussieht. Vorerst 24 zumeist italienische, hochgebildete Frauen umfasst die Gruppe, die diese Woche zu ihrer ersten Begegnung im Vatikan zusammenkam. Die erste Rektorin einer päpstlichen Universität ist dabei, Schwester Mary Melone, weiter eine Diplomatin, eine Managerin bei Google, die Gefängnisdirektorin Ida del Grosso, eine Chirurgin, mehrere Journalistinnen und die Schauspielerin Nancy Brilli.
Gremium soll Tätigkeitsfelder des Kulturrats begleiten
Peripherie? Ja und nein. Der Punkt ist, dass Frauen so konzertiert gehört und im Ensemble um Rat gefragt wurden wie noch nie im Vatikan. Zwar figuriert schon seit Jahrzehnten die eine oder andere Fachfrau unter den zahlreichen Konsultoren der Kurienbehörden. Aber bislang gab es noch keine externe Frauengruppe, die ausdrücklich um ihren weiblich-kritischen Blick auf Interna gebeten worden wäre.
Erstes Frauengremium im Vatikan
Frauen erobern den Vatikan: Erstmals hat eine Kurienbehörde eine weibliche Beratungsgruppe. Das Gremium des päpstlichen Kulturrates trat am Dienstag zusammen - und der zuständige Kurienkardinal betont, er freue sich auf die Einsichten der Frauen.Mit hübschen Farbtupfern ist es ihm mit der Schaffung des Frauengremiums nicht getan, wie Kardinal Ravasi im Gespräch mit Radio Vatikan sofort klarstellte. Vielmehr sollen die Frauen "sieben bis acht" Tätigkeitsfelder des Kulturrates mit ihren Anregungen begleiten. Ravasi nannte das Thema Sport, eine der kulturübergreifenden Sprachen der Gegenwart. Der Sport ist – ebenso wie übrigens das Thema Frauen – beim päpstlichen Laienrat angesiedelt, doch der sieht im Zug der Kurienreform gerade seinem Aufgehen in größeren Horizonten entgegen.
Der Kulturrat ist aber auch derjenige am Vatikan, der den Dialog mit der modernen Naturwissenschaft sucht. Den mit den Nichtglaubenden aller Provenienz ohnehin. Ravasi wünscht sich, dass die Frauen nicht nur diese Dialoge und die Performance des Kulturrates darin begutachten. Darüber hinaus sollen sie dem Rat komplett neue Themenfelder vorschlagen: "Wege, die wir Männer hier noch nie gegangen sind", bekennt Ravasi. Der Kulturrat bestehe ja nur aus Männern, Frauen erledigten hier bloß Verwaltungsarbeiten.
Frauenrat soll internationaler und interreligiöser werden
Ravasi würde einen Frauenrat auch anderen vatikanischen Behörden empfehlen. Und schuldbewusst gesteht er ein, sein neues Beratungsgremium brauche dringend eine Erweiterung aus Afrika und Asien. Das hätten ihm schon auf den Social Media die ersten Reaktionen aus Nordamerika gezwitschert, erzählt Ravasi, der seit 2011 – als erster Kurienkardinal – twittert. Willkommen sei ihm besonders auch die Kandidatur von nichtchristlichen und nichtglaubenden Frauen.
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Zum Wohl der ganzen Kirche hofft der Kurienkardinal, dass in der Kirche in den kommenden Jahrzehnten Ämter, Funktionen und Verantwortungen entstehen, die vornehmlich weiblich sind. Schließlich habe sich die Präsenz von Frauen in der Gesellschaft mit der Zeit langsam entwickelt. Als ein Beispiel so einer weiblichen Funktion könnte er sich etwa Frauen in der Priesterausbildung vorstellen, so Ravasi.
Papst Franziskus weiß von dem Frauen-Vorstoß aus erster Hand. Er besuchte den Kulturrat vergangene Woche eher spontan – eine Gewohnheit, an die man sich im Vatikan noch nicht ganz gewöhnt hat. Man saß im selben Konferenzsaal, in dem einige Tage darauf die Beraterinnen Platz nahmen. Aufmerksam und bestätigend, erzählt der Kardinal, habe Franziskus ihm zugehört und dann aus der eigenen Erfahrung Beispiele genannt: Bischöfe, die ihre rein männlichen Beratungsorgane gehört hätten, dann auch einen Frauenrat ins Leben riefen - und die Rückmeldungen aus dem weiblichen Gremium reichhaltiger und besser fanden. Mit einem Wort: Guter Rat ist manchmal weiblich. Im Papststaat ist das eine Entdeckung.