Neues Buch serviert überraschende Erkenntnisse

Schulseelsorger: Currywurst kommt aus Ruhrgebiet, nicht Berlin

Veröffentlicht am 04.09.2024 um 10:55 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ In diesen Tagen wird allenthalben der 75. Geburtstag der Currywurst gefeiert. Doch so ganz sicher war dieses Jubiläum nie. Folgt man den Recherchen eines Essener Schulseelsorgers, gibt es die Kreation schon viel länger.

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Muss die Geschichte der Currywurst umgeschrieben werden? Ja, wenn es nach Gregor Lauenburger und Tim Koch geht. In ihrem am Dienstag im Essener Klartext-Verlag erschienenen Buch "Alles Currywurst – oder was? Die ganze Wahrheit über das Kultobjekt" verorten sie den Ursprung der beliebten Spezialität in den Ruhrpott der 1930er-Jahre. Bisher gingen die meisten Theorien davon aus, dass die Wurst mit der würzigen Sauce erst im Nachkriegsdeutschland auf den Tellern der Verbraucher landete. Als "Erfinderin" gilt vielen Experten die Berlinerin Herta Heuwer, die am 4. September 1949, vor 75 Jahren also, das Gericht kreiert haben soll.

Kult-Imbiss in Duisburg-Marxloh

Lauenburger, von Hauptberuf Schulseelsorger am Essener Mariengymnasium, und sein Co-Autor Tim Koch, ein Gastro-Unternehmer, verweisen dagegen auf "Peter Pomm's Pusztetten-Stube" in Duisburg-Marxloh. Der Imbiss werbe nicht nur für die hauseigene Spezialität "Pusztetten", Fleischbällchen in Tomatensoße, sondern ausweislich der Außenwerbung auch für "Currywurst – seit 1936". Peter Hildebrand, Schwiegervater des heutigen Inhabers der "Pusztetten-Stube", habe bei der Hamburger Gewürz-Mühle nachweislich bereits Mitte der 1930-er Jahre "Currypulver Englische Art" für sein damals noch in der Duisburger Innenstadt beheimatetes Unternehmen bestellt.

Einen ernsten Grund präsentieren die Autoren auf die Frage, warum die Currywurst nicht damals schon für Furore sorgte. In der Nazizeit habe "die Furcht vor Behördenwillkür und Gefangennahme aufgrund 'unvölkischem' Verhalten Hildebrand eine effektive Vermarktung vor dem Krieg unmöglich gemacht", schreiben Lauenburger und Koch. Während des Kriegs sei Hildebrand als Niederländer die unternehmerische Tätigkeit in Deutschland dann gänzlich untersagt worden. Erst nach dem Krieg startete demnach die Currywurst-Vermarktung von Duisburg aus. "Der Siegeszug der Currywurst nahm seinen Lauf: spätestens jetzt auch über das Ruhrgebiet hinaus bis nach Hamburg, Berlin und in andere Städte und Regionen Deutschlands", heißt es im Buch.

Eine Wurst als Brückenbauer

"Gerade bei uns im Ruhrgebiet, wo wir so oft nach etwas Verbindendem zwischen den vielen Städten, Kulturen oder Fußballvereinen suchen, ist die Currywurst doch ein echter Brückenbauer", zitiert das Bistum Essen Buchautor Lauenburger. Wenn er als Schulseelsorger oder als Geistlicher Begleiter ein schwieriges Gespräch erwarte, dann sei eine Portion Currywurst oft ein guter Eisbrecher, so seine Erfahrung. (KNA)

Das Buch

Gregor Lauenburger und Tim Koch: Alles Currywurst – oder was? Die ganze Wahrheit über das Kultobjekt. Klartext-Verlag, Essen 2024, 19,95 Euro. ISBN: 978-3-8375-2658-5.