Tagung in Graz beschäftigte sich mit dem Ordensleben

Mönchtum weltweit im Wandel

Veröffentlicht am 30.06.2015 um 18:15 Uhr – Von Johannes Pernsteiner – Lesedauer: 
Orden

Graz ‐ Der weltweite Gesellschaftswandel macht vor dem Ordensleben nicht Halt. Das hat die internationale Konferenz "Mönchtum von Ost nach West" an der Universität Graz gezeigt. Tagungsleiterin Isabelle Jonveaux spricht von immer unterschiedlicheren Visionen der Gemeinschaften.

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Ordensleute in Westeuropa haben längst nicht mehr eine bloß religiöse Bedeutung, sondern gelten auch als "Vorbilder für alternatives oder gesundes Leben sowie für Ökologie", so die Beobachtung der in Graz lehrenden Soziologin. Im ehemals kommunistischen Osteuropa würden hingegen politische Fragestellungen vorherrschen, darunter etwa jene der staatlichen Anerkennung von Klöstern und Orden oder der gesellschaftlichen Rolle von Ordensleuten. So hätten etwa manche Jesuiten in Tschechien heute "eine fast elitäre Position" inne, wobei Jonveaux Vergleiche zur "Machtposition" mancher Ordenspriester im Europa früherer Jahrhunderte zog.

Selbst in Westeuropa ist das Gesicht der Orden jedoch mannigfaltig, bedingt meist durch die jeweilige Geschichte des Landes: "Einzigartig" sei die in Österreich vorherrschende, aus dem Josephinismus stammende enge Verbindung mit der Pfarrseelsorge zumindest bei den Männerorden, deren Priester zum Großteil auch Pfarrer sind. In Frankreich hingegen sind seit dem 19. Jahrhundert kontemplative Orden deutlich stärker vertreten. Von einem "europäischen Mönchtum" könne man aufgrund dieser Vielfalt somit aus Sicht der Wissenschaft gar nicht sprechen, so Jonveaux.

Akkulturation im Süden

In anderen Weltregionen seien Prozesse der Akkulturation vordergründig. "Man versucht, sich in Distanz zu den europäischen Modellen eigenständig zu entwickeln, zumal man diese nur bedingt exportieren kann", erklärte die Soziologin. Sie verwies auf ein Beispiel aus Togo: Ein dort errichtetes Benediktinerkonvent mit französischer Prägung "passte einfach nicht in die Gesellschaft".

Einer der togolesischen Mönche gründete daraufhin eine andere, "afrikanischere" Gemeinschaft: Lebensform, Architektur und Liturgie waren nun örtlichen Gegebenheiten angepasst.

Bild: ©KNA

Jugendliche bei der Nacht der Lichter in Taize: Die erfolgreiche ökumenische Gemeinschaft dient vielen neuen religiösen Lebensformen als Vorbild.

Gerade in den "neuen" Ländern der weltweiten Gemeinschaften, wo die Klöster mitunter große Zuwachsraten verzeichneten, würden sich die Orden bereits heute auf Dynamiken einstellen, die erst vor wenigen Jahren eingesetzt haben, betonte die Religionswissenschaftlerin. "Im Bewusstsein vieler der jüngeren und auch meist dynamischeren Orden in Asien oder Afrika ist, dass man eines Tages den Gemeinschaften in Europa helfen will, nachdem diese einst bei der eigenen Gründung geholfen haben und nun immer älter werden."

Den Jungen auf der Spur

Welches Mönchtum die heutige junge Generation will, beschäftigt laut Jonveaux alle Orden. "Diskutiert wird etwa, inwiefern man heute als Ordensmann oder -frau wieder ein eigenes 'Handwerk' haben muss", so Jonveaux. Mache Klöster versuchten auch, die eigene Rolle für die jeweilige Umgebung neu zu definieren, erklärte Jonveaux unter Verweis auf die Jugendvigil im Stift Heiligenkreuz oder den "Treffpunkt Benedikt" im Stift Kremsmünster: "Man versucht, für die Jungen wieder attraktiv zu sein."

Selbst Wissenschaftler tun sich schwer mit der Beschreibung, warum manche Ordensgemeinschaften aufhören zu existieren, und andere nicht. "Tendenziell stark sind die Rückgänge besonders bei den geschlossenen Frauengemeinschaften mit wenig Kontakt nach außen oder bei jenen, die nicht mehr zu den Erwartungen junger Frauen passen", so die Forscherin.

Was heute viele Menschen am Ordensleben fasziniert, ist laut der Soziologin die Gemeinschaft. Auch unter Priestern steige der Wunsch nach gemeinsamem Leben. In Europa - besonders in Frankreich und Italien - sowie auch in den USA seien viele neue klösterliche oder klosterähnliche Gemeinschaften aus diesem Impuls entstanden.

Jonveaux: "Gesucht werden dabei neue Formen von Gemeinschaftsleben, die oft ökumenisch, ohne Habit, teils sogar geschlechtergemischt und offen für Verheiratete und Familien sind." Ein wichtiges Vorbild habe hier die ökumenische Gemeinschaft Taize geliefert.

Dossier: Orden

Das Leben von Mönchen und Nonnen ist so vielfältig wie die Anzahl der vorhandenen Ordensgemeinschaften. Zudem sind Klöster kulturelle und spirituelle Anziehungspunkte.
Von Johannes Pernsteiner