Gott ist wieder im Kommen
Der norddeutsche Autor Jando, dessen Märchen "Sternenreiter" ein Bestseller wurde, nähert sich dieser Frage in seinem neuen Buch "Traumflieger". Die kindlich-direkte Ansprache an Gott ist kein neues Phänomen in Büchern. "Hallo, Mr. Gott, hier spricht Anna" des unbekannten Autors mit dem Pseudonym Fynn wird sogar in der Schule gelesen. Doch inzwischen erscheinen wieder mehr Bücher, die mit Kindern auf die Suche nach Gott gehen.
"Gott ist wieder im Kommen", bestätigt der Religionspädagoge Albert Biesinger. Viele Kinder im Kita- und Grundschulalter befragten ihre Eltern nach dem Glauben - oft auf eine entwaffnende Art. "Als bei uns die Oma gestorben ist, fragte der fünfjährige Enkel, ob die Oma im Himmel auch noch Augen hat und einen Mund, damit sie mit uns sprechen kann", erzählt der emeritierte Tübinger Wissenschaftler. Neben dieser Reflektionsebene sei für viele Kinder das Gespräch mit Gott ganz selbstverständlich.
Kinder erzählten im Gebet oft von alltäglichen Dingen, etwa, wenn jemand im Kindergarten sie gehauen habe, so Biesinger. Doch auch ernste Themen brächten sie zur Sprache. Davon erzählen wiederum viele Bücher, etwa "Annas Himmel". Das Bilderbuch des norwegischen Autors Stian Hole hat in diesem Jahr den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz gewonnen. Es erzählt von Anna, deren Mutter gestorben ist, und die sich nun mit ihrem Vater ausmalt, wie Mama nun im Paradies Unkraut jätet.
Biesinger hat beobachtet, dass sich Kinder gerade in einer Trauersituation im Gebet öffnen. "Sie erzählen Gott, wie schlecht es ihnen geht, und dass der Verstorbene doch zurückkommen soll." Zugleich können Briefe an Gott die Fantasie anregen, wie der französische Schriftsteller Eric-Emmanuel Schmitt in "Oskar und die Dame in Rosa" eindrucksvoll beschreibt: Der zehnjährige Oskar ist unheilbar an Krebs erkrankt. Die ehrenamtliche Krankenbesucherin Rosa schlägt ihm ein Spiel vor: Jeder Tag seines Lebens bedeute nun zehn Jahre, und von jedem Abschnitt solle er Gott in Briefen erzählen. Auf diese Weise spielt der Junge ein ganzes Leben durch und fühlt sich zum Zeitpunkt seines Todes, als wäre er 130 Jahre alt.
In der Realität sei es meist umgekehrt, sagt Biesinger: "Oft sind die Kinder die Priester ihrer Eltern." Der Nachwuchs konfrontiere die Eltern mit deren eigenen Kinderfragen, die vielleicht unbeantwortet geblieben und vergessen seien. Die Journalistin Heike Häcke hat über dieses Phänomen bereits 1998 den Dokumentarfilm "Hilfe, mein Kind ist fromm" gedreht. Darin geht es um die neugierigen Glaubensfragen ihrer Tochter - und die eigene Ratlosigkeit.
In einer religiös oft sprachlosen Welt könnten Erwachsene von Kindern lernen, meint Biesinger. "Kinder fragen nicht, was sie fragen dürfen. Die fragen einfach drauf los." Das liege auch daran, dass etwa der Islam im Alltag vieler Kinder präsent sei. "Wenn Kinder hören, dass der Papa von einem anderen Kind fünf mal am Tag betet oder es in der Familie nie Schweinefleisch gibt, dann fragen sie schnell nach dem Warum."
In einer Studie von 2011 haben Biesinger und andere Forscher ermittelt, dass jedes achte Kind in deutschen Kitas aus einer muslimischen Familie stammt. Die unterschiedlichen Vorstellungen führten auch unter den Kleinsten zu Diskussionen. "Ein Kind erklärt: In Berlin heißt Gott Jesus, in Thailand Buddha und in Arabien Allah. Darauf sagt ein anderes Kind, das gibt es doch alles gar nicht, und wieder ein anderes sagt, doch, meine Mama glaubt an Gott." Auch für diesen interreligiösen Dialog sei es wichtig, dass Eltern und Erzieher den Fragen rund um den Glauben nicht aus dem Weg gingen - und Kinderbücher könnten dazu ein Schlüssel sein.