Ungewöhnlich scharfe Ermittlungsmaßnahmen bei "Operation Kelch"

Belgiens Parlament will Missbrauch in Kirche weiter aufarbeiten

Veröffentlicht am 26.09.2024 um 18:39 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Während der Papst unterwegs ist nach Belgien, schlägt das dortige Parlament ein neues Kapitel zu Missbrauchs-Ermittlungen in der Kirche auf: Kam es bei der Operation "Operation Kelch", die 2010 begann, zu Unregelmäßigkeiten?

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Im Jahr 2010 erschütterte ein Missbrauchsfall die katholische Kirche in Belgien. Die Konsequenzen beschäftigen die Politik auch noch 14 Jahre danach. Am Donnerstag sprach sich das Parlament in Brüssel einstimmig dafür aus, einen neuen Untersuchungsausschuss einzurichten. Bis spätestens Ende Januar kommenden Jahres soll das Gremium klären, ob es im Rahmen der "Operation Kelch" zu Unregelmäßigkeiten, etwa durch Einflussnahmen aus dem In- oder Ausland, gekommen ist.

Dabei könnte im Hintergrund die Frage eine Rolle spielen, ob antikirchliche Kreise die ungewöhnlich scharfen Ermittlungsmaßnahmen beeinflusst haben. In Belgien verfügen die Mitglieder der großen Freimaurerlogen traditionell über erheblichen Einfluss in Politik, Wirtschaft und Justiz.

Am Anfang stand ein Bischofsrücktritt

Die Entscheidung des Parlaments zur Einsetzung der Kommission fiel mit dem ersten Tag des Papst-Besuches in Luxemburg und Belgien zusammen. In Belgien wird Franziskus am Donnerstagabend erwartet. Dort will er auch mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch sprechen.

Die Ermittlungen im Rahmen der "Operation Kelch" begannen mit dem Rücktritt von Roger Vangheluwe als Bischof von Brügge im Jahr 2010. Zuvor war bekannt geworden, dass er über Jahre einen Neffen sexuell missbraucht hatte. 2011 gestand er den Missbrauch eines weiteren Neffen; 2017 beschuldigte ihn außerdem ein damals 57-jähriger Mann, Anfang der 70er Jahre als Messdiener von ihm missbraucht worden zu sein. Erst vor wenigen Monaten entließ Papst Franziskus den heute 87-jährigen ehemaligen Bischof aus dem Klerikerstand. Das ist die höchste kirchenrechtliche Strafe.

Bischof Roger Vangheluwe
Bild: ©picture alliance / dpa | Kurt Desplenter (Archivbild)

Roger Vangheluwe trat 2010 von der Leitung der Diözese Brügge zurück und räumte ein, seine Neffen sexuell missbraucht zu haben.

Kurz nach Vangheluwes Rücktritt 2010 stürmten staatliche Missbrauchsermittler kirchliche Einrichtungen und beschlagnahmten Akten, Rechner und Handys der in Mechelen versammelten Bischöfe. Der damalige Brüsseler Erzbischof Andre Leonard und sein Vorgänger Kardinal Godfried Danneels mussten vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Auch das Ansehen von Kardinal Danneels nahm nachhaltig Schaden, als eine Tonbandaufnahme auftauchte, in der Danneels einem Opfer nahelegt, sich mit öffentlichen Anklagen zurückzuhalten.

Der Hohe Justizrat in Belgien hatte Mitte April die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur "Operation Kelch" vorgelegt. Demnach ließen sich keine Nachweise dafür finden, dass die katholischen Bischöfe den Ermittlungen im Rahmen der "Operation Kelch" im Wege gestanden hätten. Der Bericht ging auch an einen in der vergangenen Legislaturperiode eingesetzten Parlamentsausschuss, der sich allerdings aus Zeitmangel nicht mehr näher mit der "Operation Kelch" und den dazugehörigen über 100 Aktenordnern befassen konnte. Das soll nun nachgeholt werden.

Unterdessen will die belgische Generalstaatsanwaltschaft laut Medienberichten in Kürze einen Antrag auf endgültigen Abschluss der "Operation Kelch" stellen. Alle Fälle seien entweder inzwischen juristisch verjährt oder die betroffenen Personen lebten nicht mehr. (KNA)