Reise nach Belgien konfrontiert den Papst mit den Untiefen der Kirche
Belgiens Premierminister Alexander De Croo hatte es zuvor im Parlament angekündigt: Er werde dem Papst klare Worte über die Verfehlungen der Kirche mit auf den Weg geben; ein Vorsatz, den offenbar alle gefasst hatten, die sich am Freitag in Belgien vor dem Gast aus dem Vatikan äußerten. Und so prangerte der Regierungschef in der festlichen Kulisse von Schloss Laeken vor rund 300 Gästen sexualisierte Gewalt durch Geistliche sowie die Zwangsadoptionen an, die bis in die 1970er Jahren bei Kindern von unverheirateten Müttern Praxis waren.
Die so entstandenen "schmerzhaften Wunden" könne man nicht ignorieren, Vertuschung sei nicht zu akzeptieren, so der Premier. Trotz Bemühungen der Kirche sei es "noch ein langer Weg"; Worte reichten nicht mehr aus, Taten müssten folgen; Opfer hätten ein Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und die Anerkennung des erlebten Übels, schrieb er dem Papst ins Stammbuch.
Unsägliche Tragödie des Missbrauchs
De Croo, Wahlverlierer und nur noch bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt, mag durch diese Situation frei von diplomatischen Fesseln sein. Doch bereits zuvor hatte König Philippe in seiner Begrüßungsrede an den Papst "die unsägliche Tragödie" des sexuellen Missbrauchs und der Zwangsadoptionen durch kirchliche Institutionen beklagt. Franziskus habe dies "unnachgiebig angeprangert", betonte er. Dennoch müssten die Bemühungen der belgischen Kirche "entschlossen und unermüdlich fortgesetzt werden", forderte das Staatsoberhaupt.
Papst Franziskus, der die beiden Ansprachen mit nachdenklicher Miene verfolgt hatte, nahm das Gehörte unmittelbar auf. In ungewohnt scharfen Worten räumte er Fehler ein, bis zu einem radikalen "Mea Culpa": "Der Missbrauch von Minderjährigen ist eine Schande. Diese Schande müssen wir anerkennen, um Vergebung bitten und das Problem lösen", so der seit gut elf Jahren amtierende Papst aus Argentinien. Seine Worte, um die er streckenweise zu ringen schien, wurden mit langanhaltendem Beifall quittiert.
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Dass Franziskus bei seinem viertägigen Besuch in Luxemburg und Belgien gerade am zweiten Reiseziel mit der Missbrauchskrise der Ortskirche konfrontiert sein würde, war erwartet worden. Bemerkenswert ist jedoch die Art, wie der 87-Jährige damit umgeht. Er wirkte bei seiner Bitte um Vergebung glaubwürdig, ließ jedoch Wege offen, die es auch der belgischen Kirche ermöglichen, ihr Gesicht zu wahren.
Inwieweit seine Botschaft in die belgische Gesellschaft hineinwirkt, die ohnehin seit Jahrzehnten zunehmend kirchenferner und säkularer aufgestellt ist, muss sich zeigen. "Vielleicht legt sich die Wut gegen die katholische Kirche jetzt etwas", sagt ein belgischer Journalist. Insbesondere in Flandern sei diese Wut sehr ausgeprägt – dort, wo Franziskus am Nachmittag anlässlich des 2025 bevorstehenden 600-jährigen Bestehens der Katholischen Universität Löwen erwartet wurde.
Das "Ein für allemal" der Kirche nicht mehr zeitgemäß
Der Rektor der flämischen Katholischen Universität Löwen, Luc Sels, sprach in seiner Rede von einem "Prozess der Selbstkritik" und Raum für widerstreitende Meinungen, der sie stärker mache – und münzte das Thema geschickt in Richtung Kirche: "Auch Sie haben diesen Raum für Dialog und Widerspruch innerhalb der Kirche geöffnet", verwies er auf das von Franziskus angestoßene Projekt Weltsynode, das neue Wege der Beteiligung von nicht geweihten Christen in Beratung und Beschlussfassung bringen soll.
Die Autorität der Kirche hänge auch davon ab, inwieweit sie die Vielfalt der Gesellschaft toleriere, Frauen einen prominenten Platz einräume und das Thema Geschlechtervielfalt nicht so rigide behandele, so der Rektor. Ein "Ein für allemal", wie es die Kirche noch immer gerne äußere, sei heute nicht mehr zeitgemäß, wurde auch er deutlich. Bei einer Diskussion am Freitag im belgischen Fernsehen wurde die Kirche wegen der Missbrauchskrise, ihres Umgangs mit Frauen, Homosexuellen und Themen wie Abtreibung kritisiert. Papst Franziskus hingegen, hieß es, sei eine moralische Autorität, die auch von Menschen anderer Religionen oder ohne Bekenntnis respektiert werde.