Franziskus warnte vor "Bequemlichkeit eines schwachen Denkens"

Offene Kritik an der Kirche bei Papstbesuch an Universität Löwen

Veröffentlicht am 27.09.2024 um 19:08 Uhr – Lesedauer: 

Löwen ‐ Die Katholische Universität Löwen ist eine der ältesten Hochschulen der Welt. Beim Besuch des Papstes dort gab es heute deutliche Kritik an den Zuständen in der Kirche. Der Papst reagierte durchaus gelassen.

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Papst Franziskus hat an Studenten und Dozenten der Katholischen Universität Löwen appelliert, leidenschaftlich nach der Wahrheit zu suchen. Zugleich lobte er die Hochschule – eine der ältesten nördlich der Alpen – für ihre Offenheit gegenüber Migranten und anderen Kulturen. Der Papst sprach am Freitagnachmittag bei einem Festakt im Zusammenhang mit dem bevorstehenden 600-jährigen Jubiläum der Universität.

Eine Universität müsse, so der Papst, Kultur hervorbringen und Ideen entwickeln, vor allem aber fördere sie im Dienst des Fortschritts die Leidenschaft für die Suche nach der Wahrheit. Die katholischen Hochschulen seien dazu aufgerufen, das Salz und das Licht des Evangeliums Jesu Christi und der lebendigen Tradition der Kirche – immer offen für neue Situationen und Vorschläge – einzubringen.

Deutliche Worte des Rektors

Der Papst warnte vor der "Bequemlichkeit eines schwachen Denkens", wonach alles gleich und alles relativ ist. Wörtlich sagte der Papst: "Die Suche nach der Wahrheit ist anstrengend, weil sie uns zwingt, aus uns selbst herauszugehen, Risiken einzugehen, uns Fragen zu stellen." Er ermutigte die Studierenden, "die Flamme des Suchens am Brennen zu halten und ein offenes Fenster zur Welt von heute zu bleiben."

Zuvor hatte der Rektor der Universität, der Soziologe Luc Sels, eine offene akademische Diskussionskultur gefordert. "Wir lassen Raum für abweichende Meinungen", erklärte er und wandte sich an Papst Franziskus: "Auch Sie haben in der Kirche den Raum für Dialog und Widerspruch geöffnet." Nach dem Missbrauchs-Schock sei die moralische Autorität der Kirche im Westen geschwächt. Um die zerbrochene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen sei das Gespräch mit den Opfern und das Eingeständnis der eigenen Fehler erforderlich.

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Die Autorität der Kirche sei aber auch davon abhängig, dass sie die Verschiedenheit in der Gesellschaft annehme. "Warum tolerieren wir diesen enormen Abstand zwischen Männern und Frauen in einer Kirche, die faktisch oft von Frauen geleitet wird?" Sels erinnerte an die vielen Frauen, die in Löwen Theologie studierten und fragte: "Wäre die Kirche nicht freundlicher, wenn sie den Frauen bedeutende Stellungen gäbe, einschließlich des Priestertums?"

Weiter forderte der Rektor in seiner Rede die Kirche zu mehr Öffnungen gegenüber Menschen auf, die andere sexuelle Orientierungen und andere geschlechtliche Identitäten haben als die Mehrheit. Die von den flämischen Bischöfen geschaffene Anlaufstelle für "Homosexualität und Glaube" nannte er ermutigend. Er freue sich, dass Theologen der Universität forschten, wie die Kirche den sexuellen Minderheiten näher sein könne.

Festschrift an Papst übergeben

Auch hier sei es ermutigend zu sehen, dass der Papst gefragt habe, wer er sei, dass er Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung verurteile. Ähnliches gelte für die erstmalige Beteiligung von Frauen an der Weltsynode in Rom. "Sie haben die wichtige Frage auf die Tagesordnung gesetzt, wie die Kirche ihre Einheit in der Vielfalt bewahren kann, und haben zu konstruktiven Meinungsverschiedenheiten aufgerufen", so der Rektor.

Im Anschluss an die Reden wurde dem Papst eine Festschrift mit Aufsätzen von 24 Theologen der Universität zu aktuellen Debatten überreicht. Nach dem Festakt waren Treffen des Papstes mit Geflüchteten sowie später auch mit Missbrauchsopfern vorgesehen. Ort und Zeit dieser Begegnung wurden jedoch bis zuletzt nicht bekanntgegeben. (KNA)