Schwester Maria Hlupic lebt im Benediktinerinnenkloster in Köln

25-jährige Ordensfrau betet vier Stunden am Tag: "Das ist mein Leben"

Veröffentlicht am 08.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Köln ‐ Mit schwarzem Habit und Schleier sitzt Schwester Maria Hlupic im Chorgestühl ihres Klosters. So fühlt sie sich wohl. Viele Nonnen haben schon vor ihr hier gebetet und in der Gemeinschaft gelebt. Heute gibt es noch 20 Ordensfrauen in Köln-Raderberg. Ein Besuch vor Ort.

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Schwester Johanna Domek öffnet die Klostertür. Es ist neun Uhr morgens. Eine Ergotherapeutin wartet darauf, dass sie ins Kloster kann. Sie hat einen Termin bei einer der älteren Benediktinerinnen dort, daher eilt sie gleich weiter ins Treppenhaus. Jetzt stellt Schwester Johanna ihre Mitschwester Maria Hlupic vor, die neben ihr wartet. "Das ist unsere Jüngste", sagt sie nicht ohne Stolz. Die beiden Benediktinerinnen setzen sich an einen Tisch gleich neben der Tür. Sie wirken sympathisch in ihren schwarzen Ordenskleidern. Im Kölner Kloster vom Heiligsten Sakrament leben noch 20 Nonnen. Die meisten von ihnen sind jünger als 70 Jahre. Ein neu gegründeter Konvent mit sechs Schwestern in Düsseldorf-Angermund gehört auch zu der benediktinischen Gemeinschaft.

"Wir sind noch einige Junge hier", schaltet sich nun Schwester Maria ein. Sie ist vor sechs Jahren bei den Benediktinerinnen in Köln-Raderberg eingetreten. Hier hat sie gefunden, wonach sie lange suchte, schwärmt sie. Der weiße Schleier umstrahlt ihr Gesicht. "Aber in ganz Deutschland sind nur noch sehr wenige Ordensleute so jung wie du", bemerkt ihre ältere Mitschwester Johanna nachdenklich. Die meisten Ordensleute in Deutschland sind über 75 Jahre alt, es gibt wenig Nachwuchs. Schwester Johanna legt einen Zettel auf den Tisch. Darauf hat sie einige Zahlen aufgeschrieben. "Es gibt noch 12.500 Ordensfrauen und 4.500 Ordensmänner in Deutschland", liest sie vor. Dazu kämen rund 50 Novizinnen und Novizen. Das seien insgesamt noch einige Ordensleute, meint die Benediktinerin. Doch viel zu wenige, um weiterzumachen wie bisher, sagt die 69-Jährige ernst. Schwester Johanna war einige Jahre lang Priorin des Klosters hier in Köln-Raderberg. Heute begleitet sie im Auftrag der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) andere Gemeinschaften dabei, wenn sie Niederlassungen schließen müssen oder Einrichtungen abgeben - aus Altersgründen oder weil der Nachwuchs fehlt. Nun berichtet Schwester Johanna, dass sie 1990 das erste Mal bei einer Klosterschließung dabei war. "Das war wie ein Schock", sagt sie offen. Das Hergeben und Aufgeben mache niemand freiwillig.

Jetzt kommt die Ergotherapeutin wieder zur Pforte des Klosters. Die ältere Schwester, zu der sie eigentlich wollte, hatte einen Beichttermin beim Pfarrer. "Ich komme nächste Woche noch einmal", sagt sie und huscht durch die Tür hinaus. Jetzt möchte Schwester Maria das Klostergelände zeigen und geht in den Garten hinter der Klostermauer. Tomaten, Salat und Himbeeren wachsen da. Ganz hinten bei den Apfelbäumen klettert eine Mitschwester im grünen Hosenanzug von einer Leiter. Sie reicht ein paar rote Äpfel. Im Garten befindet sich auch eine kleine Kapelle, die an die Gründung des Benediktinerinnenklosters im Jahr 1895 durch Josephine von Fürstenberg-Stammheim erinnert. Auf einer Tafel an der Klostermauer sind Namen von bereits verstorbenen Schwestern zu lesen, die einmal zur Gemeinschaft gehörten. Es sind viele.  

Bild: ©katholisch.de/ msp

Schwester Anna ist Subpriorin der benediktinischen Frauengemeinschaft in Köln-Raderberg und sammelt von einer Leiter aus Äpfel von den Bäumen im Klostergarten.

Schwester Maria setzt sich auf eine Bank im Garten. Sie werde immer wieder gefragt, warum sie schon so jung ins Kloster eingetreten ist, erzählt sie nun. Für manche sei das eine richtige Sensation. "Aber es ist mein Leben", lächelt die 25-jährige Benediktinerin. Vor Kurzem hat sie ihre Ausbildung zur Sozialpädagogin abgeschlossen und ist heute im Kloster für den Internetauftritt der Gemeinschaft zuständig. Außerdem bietet sie Kurse zur benediktinischen Spiritualität für Erwachsene an und hilft in der Klosterwerkstatt mit. Sie legt den roten Apfel auf eine Treppe und geht in die Klosterkirche, wo sich die Schwestern täglich mehrmals zum gemeinsamen Gebet treffen. "Über vier Stunden verbringen wir hier am Tag", betont die junge Ordensfrau. Auf dem Altarbild vorne ist die Gottesmutter abgebildet. "Sie ist unsere Äbtissin", erklärt Schwester Maria. Sie mag die Mutter Jesu, deshalb hat sie sich diesen Ordensnamen ausgesucht. 

"Warum sollte ich das Ordenskleid weglassen?"

Im Chorgestühl sitzt eine Nonne, die still betet. Es ist die Priorin der Gemeinschaft, Schwester Veronica Krienen. Sie verbringt heute den ganzen Tag "monastisch" in Stille und Gebet, weil sie "die Welt vor Gott trägt", berichtet Schwester Maria. So wie auch die anderen Nonnen unter der Woche der Reihe nach. Die Klausur empfindet die 25-jährige Ordensfrau nicht als streng, auch wenn die kontemplativen Nonnen nur selten das Kloster verlassen. Das Leben hier richte sie immer wieder neu auf Gott aus, ist die junge Benediktinerin überzeugt. Auch das schwarze Ordenskleid diene der inneren Sammlung. "Warum sollte ich es weglassen?", fragt Schwester Maria erstaunt. Im Kreuzgang ist Gesang zu hören. Eine Nonne übt für die Messe. Richtig singen zu können, ist in der Gemeinschaft wichtig, daher proben die Ordensfauen regelmäßig neue Psalmgesänge ein.

Schwester Maria Hlupic verabschiedet sich. Oben wartet schon Schwester Johanna Domek im Sprechzimmer. Sie ist ähnlich wie Schwester Maria jung, also mit 19 Jahren, ins Kloster der Benediktinerinnen in Köln eingetreten. "Ich habe alles auf Gott gesetzt", blickt die Ordensfrau zurück. Obwohl sie einige Jahre davor nicht an Gott glauben konnte, wie sie sagt. Als sie 1974 ins Kloster kam, habe sie vor allem durch die älteren Mitschwestern viel Überzeugendes erlebt. Für sie war es die richtige Entscheidung, Benediktinerin zu werden, auch wenn es im Kloster schon mal Konflikte und Auseinandersetzungen gebe. "Es gibt tolle Frauen hier", stellt die 69-Jährige fest. Aus dem Orden auszutreten, war für sie nie eine Option. Sie nimmt einen Schluck Wasser. "Ich bin im Kloster geblieben, weil ich es versprochen habe", sagt die Benediktinerin überzeugt. Für sie sei es manchmal wie ein Wunder, dass sie noch da sei.

Bild: ©katholisch.de/ msp

Schwester Johanna Domek geht in die Kirche des Kölner Stadtklosters. Als sie 1974 in die Gemeinschaft eingetreten ist, hat sie "alles auf Gott gesetzt".

Schon mit Anfang 30, also recht jung, wie sie feststellt, wurde sie damals Priorin des Klosters und leitete jahrelang die Gemeinschaft. Später wurde Schwester Johanna Domek Vorsitzende der deutschen Föderation der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament, zu der heute noch vier Gemeinschaften gehören. Früher waren es doppelt so viele. Eine bittere Erfahrung, die auch andere Klöster machen. "Da ändert sich gerade vieles", stellt die Ordensfrau fest, die seit 2015 im Auftrag der Ordensoberenkonferenz gemeinsam mit einer anderen Schwester Ordensgemeinschaften dabei begleitet, wenn sie Einrichtungen abgeben und Konvente auflösen müssen. Dann gehe es meistens um dieselben Fragen, berichtet Schwester Johanna: "Wovon leben wir in Zukunft, wie versorgen wir unsere ältesten Schwestern, wie geht es finanziell und rechtlich weiter und wer leitet unsere Gemeinschaft in Zukunft?"

"Wenn wir abgeben, haben wir mehr Zeit für unser Ordenscharisma"

Sie verstehe sich vor allem als Mutmacherin für Ordenschristen. "Wenn wir loslassen und abgeben, haben wir wieder mehr Zeit für unser eigentliches Ordenscharisma", ist die Benediktinerin überzeugt. Wenn ältere Ordensfrauen zum Beispiel auf einmal wieder andere Menschen besuchen gehen können, dann sei das sehr wertvoll. Selbst Nichtmitglieder könnten andere Ordensgemeinschaften bei der Leitung unterstützen, wenn der eigene Nachwuchs fehlt, räumt die Benediktinerin ein. Inzwischen seien viele Erfahrungen gesammelt worden und es gebe viel Austausch zu diesen Themen mit Beratern und Fachexperten für die Orden, erklärt die Beauftragte des Netzwerkes für alternde Ordensgemeinschaften. Zusätzlich gebe es Treffen für die Koordinatoren, die die Gemeinschaften altender Ordensleute betreuen sowie Kurse und Weiterbildungen ergänzend zu den Beratungen.

Sie wolle nichts schönreden, nur "Licht aufzeigen", meint die Beauftragte im Ordensnetzwerk. "Wir Ordensleute üben das Sterben ein und gleichzeitig das Leben", ist sie sicher. Das gelte es in neue Lebensformen und Lösungen zu übersetzen. "Gott geht immer mit und bleibt dabei", sagt die Benediktinerin noch, dann läutet eine Glocke. Es ist Zeit für das Mittagsgebet. Schwester Johanna geht schnell in ihr Zimmer und dann in den Kreuzgang. In der Klosterkirche sitzen schon ein paar Gäste vorne im Altarraum und warten. Die Benediktinerinnen kommen jeweils zu zweit in einer Prozession herein. Eine Nonne, die nicht mehr so gut laufen kann, wird im Rollstuhl gefahren. Alle verneigen sich nach vorne zum Altar. Schwester Maria zwinkert zum Abschied.

Von Madeleine Spendier