Kreis der Diözesanbischöfe bald wieder vollzählig – aber wohl nur kurz
Wenn sich die deutschen Bischöfe alljährlich im Frühjahr und Herbst zu ihren Vollversammlungen treffen, sind meist nicht alle Bistümer mit eigenen Diözesanbischöfen vertreten. Ein entscheidender Grund dafür neben kurzfristigen Absagen etwa wegen Erkrankungen: Bei 27 Diözesen ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass ein Bischofsstuhl gerade unbesetzt ist, weil der bisherige Amtsinhaber vor Kurzem – normalerweise aus Altersgründen – zurückgetreten und noch kein Nachfolger für ihn ernannt worden ist. Diese Zeit der Sedisvakanz dauert in Deutschland in der Regel rund ein Jahr, weshalb fast immer irgendwo gerade eine Kathedra verwaist ist.
In der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) währte dieser Zustand der Unvollständigkeit zuletzt fast auf den Tag genau zwei Jahre. Seit dem aus gesundheitlichen Gründen erfolgten Rücktritt des Paderborner Erzbischofs Hans-Josef Becker am 1. Oktober 2022 und drei weiteren Rücktritten in Bamberg, Osnabrück und Rottenburg-Stuttgart in den Monaten danach war die Gruppe der Diözesanbischöfe in der DBK nicht mehr vollständig. Erst mit der an diesem Mittwoch erfolgten Ernennung von Klaus Krämer zum neuen Bischof von Rottenburg-Stuttgart besteht die Aussicht auf eine bald wieder vollständig besetzte Bischofskonferenz. Dieser Zustand ist offiziell aber erst dann erreicht, wenn Krämer zum Bischof geweiht und in sein neues Amt eingeführt seien wird. Einen Termin dafür gab die württembergische Diözese bislang noch nicht bekannt.
Der Generationenwechsel in der DBK geht weiter
Da der Generationenwechsel in der DBK jedoch ein ständiger Prozess ist, dürfte die Phase ohne eine Sedisvakanz im deutschen Episkopat nach Krämers Amtsübernahme nicht allzu lange andauern. Tatsächlich ist bereits der nächste 75. Geburtstag eines Diözesanbischofs und damit der Tag, an dem dieser laut Kirchenrecht seinen Rücktritt anbieten muss, nicht mehr allzu fern: Am 6. März kommenden Jahres erreicht Münsters Bischof Felix Genn als derzeit ältester deutscher Diözesanbischof diese Altersgrenze – und er hat bereits klar gemacht, dass er sein Amt an der Spitze der gemessen an der Zahl der Katholiken zweitgrößten deutschen Diözese möglichst bald danach abgeben möchte.
Er werde Papst Franziskus aus verschiedenen Gründen bitten, seine "inständige Bitte um Emeritierung" anzunehmen, sagte Genn Ende August der "Rheinischen Post". Den entsprechenden Brief an den Heiligen Vater habe er bereits geschrieben, aber noch nicht abgeschickt. Zur Begründung für seinen Wunsch nach einem schnellen Rücktritt vom Amt des Diözesanbischofs sagte Genn: "Ich glaube, dass man in einer solchen Position mit 75 wirklich abschließen sollte. Weil die notwendige Spannkraft und Gesundheit gar nicht mehr gegeben sein kann." Außerdem wolle er vermeiden, dass es im Bistum durch eine mögliche Verlängerung seiner Amtszeit eine längere Zeit des Übergangs gebe. "Das wäre nicht gut."
Sollte Genn aus dem Amt scheiden, würde Magdeburgs Bischof Gerhard Feige in die Position des ältesten Diözesanbischofs rücken. Feige wurde am 19. November 1951 geboren und erreicht somit Ende 2026 die bischöfliche Altersgrenze. Zum Kreis der über 70-jährigen Diözesanbischöfe gehören derzeit zudem Dresdens Oberhirte Heinrich Timmerevers (72), Münchens Kardinal Reinhard Marx (71) der Berliner Erzbischof Heiner Koch, Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke und Görlitz' Oberhirte Wolfgang Ipolt (alle 70).
Das andere Ende der bischöflichen Alterspyramide bilden derzeit mehrere Diözesanbischöfe in den 50ern. Jüngster Oberhirte in der DBK ist Fuldas Bischof Michael Gerber, der in diesem Jahr seinen 54. Geburtstag gefeiert hat. Ihm folgen mit etwas Abstand Paderborns Erzbischof Udo Markus Bentz, der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl – beide haben erst in diesem Jahr ihre Erzbistümer übernommen – und Mainz' Oberhirte Peter Kohlgraf (alle 57) sowie Hamburgs Erzbischof Stefan Heße und Würzburgs Bischof Franz Jung (beide 58).
Dienstältester Diözesanbischof innerhalb der Bischofskonferenz ist derzeit Kardinal Marx. Er steht seit dem 1. April 2002 an der Spitze eines Bistums – zunächst als Bischof von Trier und seit 2007 als Erzbischof von München und Freising. Marx' im Mai 2021 im Zusammenhang mit dem kirchlichen Missbrauchsskandal gemachtes Rücktrittsangebot lehnte Papst Franziskus bereits wenige Tage später ab und forderte den Kardinal damals in einem persönlichen Brief mit Nachdruck auf, sein Amt als Erzbischof weiter auszuüben. Insofern ist es gut möglich, dass Marx – wie bei den meisten Kardinälen üblich – sogar noch deutlich über die bischöfliche Altersgrenze hinaus im Amt bleibt.
Beliebter Blick in die kirchenpolitische Glaskugel
Der Diözesanbischof mit der kürzesten Amtszeit ist aktuell – und bis zur Amtseinführung von Klaus Krämer in Rottenburg – Dominicus Meier OSB, der erst vor knapp einem Monat als neuer Bischof von Osnabrück eingeführt wurde. Meier folgte Franz-Josef Bode nach, der im März 2023 der erste deutsche Bischof war, der im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal sein Amt abgab. In Anbetracht der viel kritisierten Missbrauchsaufarbeitung in seinem Erzbistum hatte im Frühjahr 2022 auch Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki seinen Rücktritt angeboten. Dieses Angebot nahm Franziskus aber bis heute nicht an – und die entsprechende Frist ist lange abgelaufen. "Indem der Papst die Drei-Monats-Frist verstreichen ließ, hat er eine Entscheidung getroffen. Von Rechts wegen ist zu vermuten, das Rücktrittsgesuch sei damit abgelehnt", sagte dazu im vergangenen Jahr der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier.
Beliebt, aber in der Regel wenig aussagekräftig ist mit Blick auf die Zusammensetzung der Bischofskonferenz derweil der Blick in die kirchenpolitische Glaskugel. Nach beinahe jeder Bischofsernennung versuchen vor allem Journalisten gerne, die politische Ausrichtung des neuen Bischofs und damit das künftige politische Gesamtgefüge der DBK zu deuten. Auch im Falle Krämers dürften entsprechende Spekulationen nicht lange auf sich warten lassen. Allerdings dürfte ziemlich klar sein, dass grundstürzende Veränderungen im Gefüge der Konferenz – ebenso wie bei allen anderen Ernennungen der jüngeren Vergangenheit – durch den künftigen Rottenburger Bischof nicht zu erwarten sind. Papst Franziskus sah sich offensichtlich erneut nicht dazu veranlasst, durch die Personalie in Rottenburg eine Art kirchenpolitische Wende im weltkirchlich als reformorientiert geltenden deutschen Episkopat herbeizuführen.