Bekenntnisse einer TV-Legende, die geliebt werden will

Als Thomas Gottschalk bei Kardinal Ratzinger verpetzt wurde

Veröffentlicht am 16.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Barbara Just (KNA) – Lesedauer: 

München ‐ Nach "Herbstblond" und "Herbstbunt" kommt mit "Ungefiltert" das dritte Buch von Thomas Gottschalk auf den Markt. Er könne eben den Mund nicht halten. Einmal hat ihm das sogar einen blauen Brief von Kardinal Ratzinger eingebracht.

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Erst entzündete Hape Kerkeling ein mediales Feuerwerk für sein neues Buch. "Gebt mir etwas Zeit", bat er und erhielt knapp vier Wochen für seine Promotion. Nun hat Thomas Gottschalk übernommen und mit Interviews für Aufregung gesorgt. "Ungefiltert" heißt sein drittes Werk, das nach "Herbstblond" und "Herbstbunt" ebenfalls im Heyne-Verlag erscheint. Ab Mittwoch sind die Bekenntnisse eines 74-jährigen Mannes erhältlich, der einräumt, einfach den Mund nicht halten zu können.

Die Zeiten ändern sich. Das weiß auch die TV-Legende und hat den Titel des Bob-Dylan-Songs "The Times They Are a-Changin'" seinen Einlassungen vorangestellt. Mit "Liebe Lesende!" beginnt er sein Vorwort politisch korrekt. Bewirken wolle er mit seinen aufgeschriebenen Erfahrungen und Gedanken nichts, aber zumindest seien es seine eigenen, betont Gottschalk. Für die "Ansichten eines Clowns" habe Heinrich Böll 1972 den Literaturnobelpreis bekommen - "ein Schicksal, das ich nicht fürchten muss". Ihm würden dagegen bestimmt Sätze aus dem Umfeld gerissen werden und als weinerliche Bilanz eines älteren Mannes ausgelegt.

Kritik an Influencern

319 Seiten sind es inklusive Schlussdank geworden. In 28 Kapiteln macht er immer wieder deutlich, dass er mit Influencern nichts anfangen kann. Leute wie die Kardashians sowie B- und C-Promis, die nur sich selbst und ihre Produkte vermarkten, gehen ihm gegen den Strich. Das führt er mit vielen Beispielen aus. Am Anfang ist dies lustig und seine Kritik nachvollziehbar. Wenn die Passagen sich aber wiederholen und erneut das Klagen über die vielen Schmink- und Katzenvideos kommt, wird es langweilig.

Thomas Gottschalk mit Ordensfrauen bei Wetten, dass
Bild: ©picture-alliance / dpa | Rolf Haid (Archivbild)

Fernsehmoderator Thomas Gottschalk tanzt am 9.11.1996 während seiner ZDF-Show "Wetten, daß...?" mit Diakonissenschwestern des Basler Klosters St. Chrischona zur Melodie des Pop-Gospel-Songs "Sister Act".

Doch es gibt Kapitel, da glaubt man, Gottschalks Stimme zu hören, wie bei "Pop nach Acht" und der "B3-Radio-Show". Wer mit seinen Sendungen im Bayerischen Rundfunk (BR) aufgewachsen ist, weiß, dieser Moderator war mit Mutterwitz und Schlagfertigkeit ganz anders als seine Kollegen. Schnell wollte man nach der Schule mittags daheim sein, um ihn zu hören. Was für Sprüche zu den Musiktiteln oder den ansonsten langweiligen Verkehrsdurchsagen würde er reißen, wie die am Abend zuvor in der ARD gezeigte "Dallas"-Folge kommentieren?

Seine ungezügelte Klappe gefiel nicht jedem. Vor allem nicht dem Vertreter der katholischen Kirche im BR-Rundfunkrat. Der Prälat biss sich aber an ihm die Zähne aus. Weil der Programmchef sich zwischen Frömmigkeit und Erfolg irgendwann für letzteren entschieden hatte, wie der Entertainer notiert. Worauf der Kirchenmann ihn beim damaligen Erzbischof von München und Freising, Kardinal Joseph Ratzinger, verpetzt habe.

Beschwerde von Kardinal Ratzinger

Der Ex-Messdiener Gottschalk musste zum Rapport beim Rundfunkdirektor antreten. Der wedelte mit einem mit Kardinalssiegel versehenen Briefbogen: "Haben Sie versucht, die Fronleichnamsprozession auf die Autobahn in Richtung Nürnberg umzuleiten und dabei die Autofahrer vor Weihrauchnebel gewarnt? Hören Sie auf mit diesem Unsinn!" Ratzinger hatte eine Beschwerde eingereicht und dazugeschrieben, dass ihn Gottschalks Unverschämtheiten krank machten. "Dann werde ich meine Hörer zum Gebet für ihn aufrufen", erwiderte der Gescholtene nach eigenen Angaben keck.

Weder vom Programmdirektor noch vom Kardinal wollte sich Gottschalk Vorschriften machen lassen. Beide seien in seinen Augen alte Männer mit Vorstellungen für gestern gewesen. "Heute bekomme ich die Quittung von jungen Menschen, die so denken wie ich damals." Die TV-Legende weiß nur zu gut, dass es eben der Lauf der Zeit ist, dass man, je älter man wird, kritisch auf die nachwachsende Generation blickt. Heute werde eben vieles anders gesehen, und das sei auch gut so. Für sich beanspruche er weiter, ein Suchender und Mahnender sein zu wollen.

Vom Kirchenjahr geprägt

Gottschalk schildert, wie sehr ihn das Kirchenjahr mit seinen Festen geprägt habe: "Ich bin gewiss kein Frömmler geworden und habe meine Karriere innerhalb der katholischen Kirche lange vor der Priesterweihe abgebrochen, wurde aber auch nie von einem Kleriker sexuell angemacht oder gar missbraucht und dadurch wie viele andere traumatisiert." Beizeiten lässt er Bibelworte einfließen, wie die Pilatus-Frage "Was ist Wahrheit?" oder den Jesus-Satz: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." Das sollten seiner Meinung auch mache User der Sozialen Netzwerke mal bedenken.

In seiner Laufbahn sei er mit seinen Sprüchen angeeckt und habe sich zu Recht entschuldigen müssen, so Gottschalk. Natürlich könne man auch heute im TV alles sagen, darauf aber folgten oft Shitstorms. Ihn ärgert, dass die Hater sich anonym hinter ihren Laptops verschanzten: "Ich wünsche mir einen Dialog, und zwar einen direkten mit offenem Visier." Rede und Gegenrede gehörten jedenfalls zu seinem Demokratieverständnis.

Gottschalk ist ein friedliebender Typ. Er möchte von seinem Publikum geliebt werden. Mit seinem Instagram-Account will er weiter mitmischen. Natürlich kennt er als Lateiner den Spruch, dass wer geschwiegen hätte, ein Philosoph geblieben wäre: "Aber der bin ich nicht, war ich nie und werde ich niemals sein."

Von Barbara Just (KNA)