Vom Wagnis der Ganzhingabe
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Jesus stellt uns zwei krasse Gegensätze vor Augen: die Schriftgelehrten, die in ihren langen wallenden Gewändern stets die Ehrenplätze belegen, und die arme Witwe, die zwei kleine Münzen in den Opferkasten wirft. Reich und Arm. Zur Oberschicht gehörend und am Rande der Gesellschaft stehend. Angesehen und wenig beachtet. Männer und Frau. Berechnend und selbstlos. Schein und Sein.
Den Schriftgelehrten geht es vornehmlich um die Wirkung, die sie auf andere haben. Sie wollen gesehen, gegrüßt und bewundert werden, stehen gern im Rampenlicht. Doch Jesus erinnert uns daran, dass es nicht um äußere Erscheinungen geht. Es geht um die innere Haltung – um die Ganzhingabe unseres Herzens. Es geht um Sein, nicht um Schein.
Und da kommt das Opfer der armen Witwe gerade recht. Weil sie alles gegeben hat, was sie hatte. Weil sie sich selbst gegeben hat. Ihre Gabe war nicht von großem Wert, aber sie kam von Herzen. Sie hat alles auf eine Karte gesetzt, sie hat nichts für sich zurückbehalten und sich bedingungslos Gott anvertraut. Den Reichen dagegen tut das, was sie von ihrem Überfluss abgegeben haben, nicht weh.
Jesus macht hier deutlich: Gott lässt sich nicht blenden vom Getue der Schriftgelehrten! "Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz." (1 Sam 16,7) Die Witwe lehrt uns, dass wahre Großzügigkeit nicht vom Wert des Geschenks abhängt, sondern von der Tiefe des Glaubens und der Hingabe.
Für mich ist das Opfer der Witwe auch ein Sinnbild für die Ganzhingabe bei der Ordensprofess. Vor der Ablegung der Gelübde auf Lebenszeit wird der Profitentin die Frage gestellt: "Bist du bereit, dich durch die Ordensprofess noch enger an ihn [Gott] zu binden und dich ihm ganz zu schenken?" Hierbei vertraut sich die Profitentin mit allem, was sie ausmacht, Gott an – und das für die Zeit ihres Lebens. Sie vertraut sich ihm an – nicht wissend, wie das eigene Leben in zehn, zwanzig Jahren aussehen wird, aber darauf vertrauend, dass Gott diesen Weg mitgeht. Sie lässt alles los und gewinnt alles – nämlich das Leben in Fülle.
Ähnlich ist es bei der Witwe: Indem sie alles loslässt, was ihr noch bleibt, kann sie Gott in ihrem Herzen einen Raum anbieten, in dem er Wohnung nehmen kann. Im Herzen der Reichen ist kein Platz für Gott – sie sorgen sich vor allem um ihre Außenwirkung und ihr Ansehen.
In einer Zeit, in der wir oft dazu verleitet werden, nach dem Materiellen zu streben und uns (finanziell) abzusichern, fordert uns das Vorbild der Witwe ganz schön heraus und kann uns ermutigen, vertrauend alles auf eine Karte zu setzen.
Evangelium nach Markus (Mk 12,38–44)
In jener Zeit lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet.
Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein.
Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.
Die Autorin
Schwester Regina Greefrath CSA gehört dem Orden der Augustiner-Chorfrauen an. Sie unterrichtet am klostereigenen Gymnasium die Fächer katholische Religion und Spanisch und engagiert sich in der AG Berufungspastoral der Orden (AGBO).Ausgelegt!
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