Walter Bamberger sorgt in Kathedralen für die richtige Beleuchtung

Lichtdesigner: Kirche ist kein Museum

Veröffentlicht am 01.01.2025 um 12:00 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Pfünz ‐ Wie setzt man eine Kirche ins rechte Licht? Das ist das Spezialgebiet von Lichtdesigner Walter Bamberger, der schon einige Kathedralen illuminiert hat. Im katholisch.de-Interview sagt er: Es kommt vor allem auf die Vermittlung eines Raumes an.

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Sei es der Dom in Köln, in Erfurt oder zuletzt in Eichstätt. Der Lichtdesigner Walter Bamberger hat schon für einige Kirchen ein Beleuchtungskonzept entworfen. Im Interview erzählt er von der besonderen Herausforderung, eine Kirche nicht nur heller zu machen, sondern einen Raum zu vermitteln.

Frage: Herr Bamberger, wenn Sie für eine Kirche ein Lichtkonzept erstellen sollen, wie gehen Sie dann vor?

Bamberger: Das hängt zunächst davon ab, wie alt diese Kirche ist: Bei einer historischen Kirche setze ich mich mit Aufbau und Struktur der Kirche auseinander, in welchem Stil sie erbaut und ob später noch Entscheidendes überformt wurde. Ich muss den Raum verstehen. Kirchen wurden bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nur mit Blick auf das Tageslicht gebaut, das allerdings sehr unterschiedlich: Die Gotik ist gebautes Licht und im Barock ist das Licht der Baustoff. Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts spielen Kirchräume auch gezielt mit Dunkelheit, die durch künstliches Licht durchbrochen wird. Erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil spielt dann eine Rolle, dass die Gläubigen genug Licht haben, um ins Gebetbuch schauen zu können, vorher konnten sie das auswendig oder hatten ihre Wachsstöcke dabei.

Frage: Es geht also auch darum, dass sich der Umgang mit einem Kirchenraum verändert hat?

Bamberger: Jeder Kirchenraum ist in einem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext entstanden mit einer Spiritualität, die anders ausgesehen hat, als wir es heute kennen. Unser Verständnis dieser Faktoren heute steht dem nicht selten diametral entgegen. Das müssen wir aber in diese historische Hülle hineinpacken. Zunächst will ich also diese Faktoren verstehen und überlege, welche Stimmung ich diesem Raum zumuten will und wie er zu den Menschen sprechen soll.

Frage: Machen Sie das mit der Architektur oder auch mal gegen die Architektur?

Bamberger: Manchmal mag man auch mal ein bisschen provozieren, das ist eine Sache des künstlerischen Ausdrucks. Aber in erster Linie geht es mir darum, die Architektur für Besucher und Gläubige erfahrbar zu machen, damit sie das Gebäude in der Ästhetik seiner Erbauungsepoche erfahren. Dazu gehört zum Beispiel, historische Fenster und den damit verbundenen besonderen Lichtcharakter aufzunehmen und zu verstärken. Da braucht es oft nur ein bisschen zusätzliches Licht.

Bild: ©Walter Bamberger, Montage: katholisch.de

Der Kölner Dom in Natur- (l.) und in Kunstlicht.

Frage: Es geht also nicht darum, alles möglichst hell zu machen?

Bamberger: Licht ist ein extrem massives Werkzeug. Damit kann man viel Gutes tun, aber auch alles zerstören und unkenntlich machen. Ein Altar, der einfach nur in volles Licht gesetzt wird, kann einen Raum völlig überlagern. Gotische Gewölbe, die in gleißendes Licht getaucht werden, wachsen völlig über den Raum hinaus. Wenn man einfach nur alles hell macht, geht völlig das Gefühl für einen Raum verloren. Dann gibt es nur noch viele helle Einzelteile, aber keine Raumwirkung als Gesamtheit mehr. Wir als Lichtdesigner haben einen denkmalpflegerischen Auftrag. Wir transportieren Geschichte, unser kulturelles Erbe. Anders ist es, wenn es um das geht, was in einem solchen Raum stattfindet.

Frage: Inwiefern?

Bamberger: Dieses Raumkonzept breche ich auf, wenn es für die Nutzung des Kirchenraums notwendig ist. Denn ein Pontifikalamt in romanischer Dunkelheit wirkt nicht. Dafür gibt es in ihr aber sehr schöne kerzenerleuchtete Rorateämter. Aber ein Pontifikalamt braucht Licht, da liegt der Fokus nicht so sehr auf dem Raum, sondern auf dem Geschehen. Da liegt die Kunst dann darin, beides nicht gegeneinander auszuspielen. Denn Pontifikalämter gibt es viele, aber die Leute fahren zum Teil stundenlang, um mal eines im Kölner Dom mitzuerleben. Deshalb muss die Messe in diesem gotischen Raum anders aussehen als in einer barocken Wallfahrtskirche. Das Endergebnis muss einzigartig sein. Es ist ein großer Auftrag, das Geschehen von heute in diesen historischen Raum hineinzustellen: Mit besonderem Licht auf Altar, Ambo, Sedilien und so weiter. Dann gibt es im gleichen Raum aber auch ganz andere Formate: Evensong, Werktagsmessen, Andachten und vieles mehr. Das alles muss ich bei meiner Planung auf dem Schirm haben. Das ist der erste große Block bei jedem Projekt.

Frage: Wie ist es denn, wenn sich zwei Stile mischen?

Bamberger: Einen solchen Fall hatte ich mal im Erfurter Dom. Das ist ein gotischer Raum, in dem aber ein riesiger barocker Hochaltar steht. Ein Ungetüm. Die Menschen der Barockzeit haben sich nicht für die Wirkung im Raum interessiert, die wollten nur ihren eigenen Geschmack durchdrücken. Das war der Zeitgeist. Damit müssen wir heute leben. Die Kunst beim Lichtdesign war es, dieses Monster von Hochaltar so schlank wie möglich zu machen und irgendwie in diesem Raum zu platzieren. Bei Tageslicht bleibt der Altar so massig, in der Abendstimmung mit dem künstlichen Licht konnten wir da was machen. Das ist aber oft Kleinstarbeit, jeder Scheinwerfer hat seine Funktion. Wenn man da an einer Leuchte etwas ändert, muss man oft nochmal alles neu machen.

Bild: ©Christian Klenk

Der Lichtdesigner Walter Bamberger.

Frage: Gerade in historischen Kirchen steht manchmal generell viel herum, da gibt es Figuren über Figuren, neben der Architektur. Was beleuchtet man da?

Bamberger: Das ist immer ein Kampf. Ich versuche den Leuten vor Ort klar zu machen: Für die touristische Nutzung mag es sinnvoll erscheinen, alle Figuren anzustrahlen. Aber wenn man sich Figuren anschauen will, geht man in ein Museum – und eine Kirche ist kein Museum. Das ist ein Gottesdienstraum. Wenn man also die Hülle richtig darstellt, wirken auch die Figuren. Es gibt da ausnahmen, die man zu bestimmten Situationen herausheben kann. Eine Marienfigur zur Rosenkranzandacht im Mai beispielsweise. Das funktioniert und ist sinnvoll. Ähnliches gilt für Kirchenpatrone. Das muss man mit den Leuten vor Ort diskutieren, die müssen sich am Ende damit wohlfühlen und darin wiederfinden. Da tickt jeder auch ein bisschen anders.

Frage: Ähnlich umstritten ist auch die Nutzung farbiger Beleuchtung. Wie sehen Sie das?

Bamberger: Jeder Maler weiß, dass jede Farbe ihren Ursprung im Weiß hat. Das gilt auch bei der Beleuchtung, das wird hochkomplex. Ich hatte das mal beim Münster in Ingolstadt. Dort sollte der Chor farbig beleuchtet werden, in rot. Ich habe also den ganzen Chor in rot ausgeleuchtet, den Altar aber in weiß. Damit erhält der Altar auf einmal eine immense Wichtigkeit. Wenn man es mit den Farben übertreibt, fließen die alle ineinander und der ganze Effekt ist weg. Man muss also mit Bedacht damit umgehen. Aber bei Events kann man tolle Sachen damit machen. Bei Orgelkonzerten kann man die Orgel besonders in Szene setzen, für besondere Veranstaltungen kann man aus dem Altarraum auch eine richtige Bühne machen.

Frage: Sind solche Mittel in einer Zeit der wachsenden Säkularisierung wichtiger?

Bamberger: Allerdings. Mit solchen besonderen Formaten werden wir es in Zukunft immer häufiger zu tun haben. Da gibt es einige Pfarreien, die da auch schon sehr experimentell unterwegs sind, mit richtigen Discos im Kirchenraum und vielem mehr. Aber: Oft kann man dann für den normalen Gottesdienst wieder umschalten. Am Ende ist das alles auch nichts anderes als mit den liturgischen Farben – nur in Lichtform. Es darf nicht inflationär werden, in keine Richtung. Wir können nicht nur Reize ansprechen und darüber die Atmosphäre eines Raumes verlieren. Aber wir brauchen solche Formate, um die Menschen wieder in die Kirchen zu locken. Und wenn das Licht dabei hilft: Warum nicht?

Von Christoph Paul Hartmann