Bischof Feige sieht Angriffe nicht als rein ostdeutsches Problem

Flüchtlinge sind "echte Bereicherung"

Veröffentlicht am 21.07.2015 um 14:08 Uhr – Von Nina Schmedding (KNA)  – Lesedauer: 
Bistum Magdeburg

Magdeburg ‐ Der Magdeburger Bischof Feige ist Oberhirte im "Lutherland". Im Interview spricht er über das Reformationsgedenken, den Papst und die Flüchtlingsproblematik. Und er verrät seine liebsten Reiseziele.

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Frage: Herr Bischof, Sie sind auch Vorsitzender der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Inwieweit ist das Bistum Magdeburg in das Reformationsgedenken einbezogen?

Feige: Unser Bistum erstreckt sich weitgehend über das sogenannte Lutherland Sachsen-Anhalt. Hier liegt Eisleben, der Geburts- und Sterbeort Luthers, hier befindet sich Wittenberg, die wohl bekannteste Stadt der Reformation. Von daher ist dieses Gedenken für uns grundsätzlich ein wichtiges Anliegen. Unter anderem sind wir auch sehr daran interessiert, dass 2017 eine Julius-Pflug-Ausstellung in Zeitz zustande kommt. Pflug war der letzte katholische Bischof des Bistums Naumburg-Zeitz und gilt als großer Versöhnungstheologe, quasi als ein Vorläufer der Ökumene. Außerdem soll es im Herbst 2016 eine interessante ökumenische Jugendreise "Mit Luther zum Papst" nach Rom geben. Erfreulich ist, dass hier auch die evangelische Kirche mitmacht.

Frage: Das Gedenken ist ja für die katholische Kirche nicht ganz unproblematisch - immerhin führte die Reformation zur Kirchenspaltung. Jetzt haben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, ein gemeinsames "Christusfest" angekündigt. Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Protestanten im Hinblick auf die Feierlichkeiten?

Feige: In früheren Zeiten waren solche Feiern immer antikatholisch oder auch deutschnational ausgerichtet. Insofern ist eine Beteiligung der katholischen Kirche ein Novum. Möglich geworden ist dies vor allem durch die ökumenische Bewegung. Trotzdem hat es einige Zeit gedauert, um zu klären, was diesmal eigentlich gefeiert wird und worin sich auch für uns Katholiken ein Zugang eröffnet. Mit dem Begriff "Christusfest" ist ein solcher gefunden, denn Luther ging es wesentlich um Christus; darum sollte es uns auch heute gehen. Die größte Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten hat allerdings auf internationaler Ebene stattgefunden.

Frage: Inwiefern?

Feige: Schon 2013 konnte man sich zwischen Lutherischem Weltbund und Päpstlichem Einheitsrat auf eine gemeinsame Sicht der Reformation und der ökumenischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte verständigen. Im Dokument "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" werden sowohl die positiven Aspekte der Reformation gewürdigt als auch die tragischen Folgen der Kirchenspaltung benannt. Und es wird gemeinsam erklärt, dass das Reformationsgedenken für Lutheraner wie Katholiken ein wichtiger Anlass ist, neu über den Glauben nachzudenken. Inzwischen ist auch angekündigt, dass man im Herbst 2016 gemeinsam feiern wird, wahrscheinlich - so vermuten einige - im schwedischen Lund.

Frage: Kommt der Papst auch?

Feige: Das könnte ich mir durchaus vorstellen - eher jedenfalls als zum Reformationsgedenken nach Deutschland.

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Video: © S. Gamradt und S. Schortemeyer

Für die katholisch.de-Serie "Freundebuch" hat uns Gerhard Feige einen Einblick in sein Leben gewährt.

Frage: Und zu den Feiern des 25-jährigen Einheitsjubiläums am 3. Oktober?

Feige: Wann und in welchem Zusammenhang ein solcher Besuch erfolgen könnte, ist mir nicht bekannt; wenn, dann vermutlich eher nach den Einheitsfeiern und mit europäischem Bezug, vielleicht 2016.

Frage: Auch nach Ostdeutschland? In die Nikolaikirche in Leipzig zum Beispiel - hier hat die Wende schließlich angefangen.

Feige: Das wäre eine Idee. Da es aber aller Voraussicht nach ein Staatsbesuch sein wird, nehme ich an, dass er sich eher auf Berlin konzentrieren wird.

Frage: Viele Katholiken würden sich freuen...

Feige: Sicher. Ich spüre aber auch auf evangelischer Seite, dass man die Anregungen des Papstes wohlwollend wahrnimmt und unterstützt. Und in der übrigen Bevölkerung ist die Resonanz auf ihn insgesamt ebenso erstaunlich. So habe ich von Nachbarn auf der Straße schon gehört: "Ihr Chef ist großartig, der räumt ja richtig auf".

Frage: Papst Franziskus setzt sich auch für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen ein. Nun hat es in Ostdeutschland gerade in jüngster Zeit immer wieder Proteste gegeben. Wie ist die Stimmung in Ihrem Bistum gegenüber Flüchtlingen?

Feige: Ich bin dankbar und froh, dass sich viele in unserem Bistum inzwischen um solche Menschen kümmern und in der Flüchtlingssozialarbeit engagieren. Bemerkenswerterweise hat in letzter Zeit auch die Zahl der ausländischen Katholiken unter uns beträchtlich zugenommen. Das ist eine echte Bereicherung. Daneben gibt es jedoch in der Bevölkerung auch manche Ressentiments. Sicher hat das damit zu tun, dass verschiedene Mitbürger den Eindruck haben, sozial benachteiligt zu sein. Solche Menschen tun sich schwer damit, zu akzeptieren, dass anderen Menschen, die in noch größerer Not sind, geholfen werden muss. Ich würde dies aber nicht als ein allein ostdeutsches Problem ansehen und halte auch nichts von einem Empörungsjournalismus, der sich auf Ostdeutschland einschießt.

Frage: Was sind denn die Ursachen dafür, dass es dieses Problem in Ostdeutschland überhaupt gibt?

Feige: Sicherlich hängt das auch mit unserer demografischen Entwicklung zusammen. In manchen Regionen sind oftmals nur noch die Älteren zurückgeblieben. Und die möchten weitgehend ihre Ruhe haben und sehen sich nicht mehr in der Lage, solche neuen Herausforderungen kreativ zu bewältigen.

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Frage: Hatten Sie jemals Probleme mit Diskriminierungen von ausländischen Priestern in ihrem Bistum?

Feige: Vor einigen Jahren gab es in unserem Bistum einmal einen indischen Ordenspriester, der in einer ländlichen Gegend entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Auf sein Drängen hin hat der zuständige Ordensobere ihn dann wieder abgezogen.

Frage: Jetzt ist Urlaubszeit, vielleicht haben auch Sie ein bißchen Muße. Was machen Sie, um zu entspannen?

Feige: In der Regel versuche ich das Jahr über, jede Woche einmal schwimmen zu gehen oder gelegentlich auch, mich mit dem Fahrrad durch die Elbauen zu bewegen. Im Urlaub wandere ich gern - ganz hoch in die Berge zu steigen, gelingt mir allerdings nicht mehr. Das war in meiner Studentenzeit noch anders. Jetzt fahre ich zum Beispiel gern in Gegenden wie Südtirol, habe aber auch die Ostseeküste wieder schätzen gelernt. Früher dachte ich, da kann man nur am Strand braten, heute genieße ich eher die großartige Landschaft mancher Insel.

Frage: Statt Baden könnte man ja auch Lesen. Haben Sie dafür Zeit?

Feige: Selten, dabei würde ich so gerne einmal zweckfrei lesen - etwa eine Dissertation über die Situation im Bistum Magdeburg zu DDR-Zeiten.

Frage: Das hört sich für mich allerdings auch nach Arbeit an. Ich hatte eher an einen schönen Roman gedacht...

Feige: Da habe ich auch etwas: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson - den packe ich mir für den nächsten Urlaub ein.

Von Nina Schmedding (KNA)