Im Vergleich zu Zahlen aus EKD-Studie

Landeskirche verzeichnet deutlich mehr Missbrauchsbetroffene

Veröffentlicht am 14.01.2025 um 16:55 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Sprunghafter Anstieg: Die Evangelische Kirche im Rheinland verzeichnet deutlich mehr Meldungen sexualisierter Gewalt als bislang bekannt. Nicht ohne Grund, sagt Vizepräses Christoph Pistorius.

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Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) verzeichnet einen sprunghaften Anstieg bei Meldungen sexualisierter Gewalt. Bis Ende Dezember 2024 hätten sich 124 Betroffene von allen Ebenen der rheinischen Kirche gemeldet, sagte Vizepräses Christoph Pistorius am Dienstag in Düsseldorf. Für die im Januar vergangenen Jahres vorgestellte Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte die Landeskirche nur 70 Fälle aus den Jahren 1946 bis einschließlich 2020 gemeldet.

Die Ermutigung an Betroffene, sich an die Kirche zu wenden, zeige Früchte, sagte Pistorius. Laut Landeskirche können die 124 neuen Verdachtsmeldungen, die bei einer 2021 eingeführten Meldestelle eingegangen seien, aber nicht einfach zu den 70 für die EKD-Studie gemeldeten Fällen addiert werden. Denn in mindestens einem Drittel der Fälle gebe es Überschneidungen.

Die 124 Verdachtsmeldungen beziehen sich laut Landeskirche auf 110 unterschiedliche Beschuldigte. 57 Meldungen beträfen Altfälle vor dem Jahr 2021, insgesamt 61 auf die Zeit ab 2021. Sechs Meldungen hätten nicht zu Fällen geführt, weil etwa andere Landeskirchen betroffen oder anonyme Meldungen nicht weiter verfolgt worden seien.

33 beschuldigte Theologen

Laut Pistorius werden in 33 Fällen Theologen beschuldigt. Ansonsten beziehen sich die Vorwürfe auf andere berufliche und ehrenamtliche Mitarbeitende, etwa Chorleiter. Seit 2004 habe es in der rheinischen Landeskirche im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung 31 Disziplinarverfahren gegeben, 29 gegen Pfarrpersonen und zwei gegen Kirchenbeamte. Vier davon liefen noch. Etwa ein Drittel der Disziplinarverfahren sei eingestellt worden, weil keine Pflichtverletzung nachgewiesen worden sei.

40 Betroffene haben den Angaben zufolge insgesamt 725.000 Euro in Anerkennung ihres Leids erhalten. In 139 Fällen auf dem Gebiet der rheinischen Diakonie seien insgesamt 2,2 Millionen Euro gezahlt worden. Im Rahmen eines ergänzenden Hilfesystems hätten elf Antragstellende rund 75.000 Euro erhalten.

Pistorius wies darauf hin, dass im März die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission für die rheinische, westfälische und lippische Kirche sowie die gemeinsame Diakonie ihre Arbeit aufnehme. Zur Vorbereitung der Kommissionsarbeit bereiteten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Rahmen von Nebentätigkeiten die Personalakten zu den gemeldeten Fällen auf. Zudem sei nach der Veröffentlichung der EKD-Studie die zuständige Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung der Landeskirche personell verstärkt worden. – Die Evangelische Kirche im Rheinland erstreckt sich über Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlands. Mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern ist sie die zweitgrößte der 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. (KNA)