Nach Krawallen in Heidenau zeigen Christen in der Stadt Gesicht - Politiker verurteilen fremdenfeindliche Übergriffe

Friedensgebet für ein gutes Miteinander

Veröffentlicht am 25.08.2015 um 11:01 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Nach den fremdenfeindlichen Krawallen haben sich im sächsischen Heidenau rund 200 Menschen zu einem ökumenischen Gebet getroffen. Der katholische Pfarrer der Kleinstadt sagte, Christen sollten Gesicht gegen Rassismus zeigen.

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In Fürbitten beklagten die Teilnehmer des Gebets "Hass, Verblendung, Engstirnigkeit" und Misstrauen gegenüber den Flüchtlingen, aber auch "Kommunikationsprobleme auf allen Seiten". Am kommenden Montag soll um 18 Uhr das nächste Friedensgebet in der katholischen Kirche stattfinden.

Der katholische Pfarrer Peter Opitz sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Christen sollten Gesicht zeigen: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Fremde in unserer Stadt angefeindet werden." In seiner Pfarrei, die mehrheitlich aus Flüchtlingen, Heimatvertriebenen und ihren Nachfahren bestehe, registriere er eine große Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen, etwa bei Deutschkursen oder Behördengängen. Es sei nötig, in fairem Umgang miteinander Brücken zu bauen, um wieder "normale Zustände" herzustellen. "Brutale Gewalt, dazu auch noch organisiert, hat nichts mit Protest zu tun. Harte Bestrafung kann nur die Konsequenz sein", sagte Opitz.

In der Nacht zum Dienstag blieb es rund um die von der Polizei bewachte Flüchtlingsunterkunft in Heidenau ruhig. Seit Freitagabend und am Wochenende hatten Rechtsradikale in der 16.500-Einwohner-Stadt vor der Notunterkunft für Flüchtlinge Polizisten angegriffen. Es gab Dutzende Verletzte, unter ihnen nach Polizeiangaben mehr als 30 Beamte. In dem ehemaligen Baumarkt sind inzwischen mehr als 300 Flüchtlinge untergebracht. Insgesamt rund 600 Flüchtlingen soll er vorübergehend Obdach bieten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bild: ©picture alliance / Sven Simon

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die gewalttätigen Ausschreitungen vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau am Montag deutlich.

Bundestagspräsident Norbert Lammert verurteilte die gewalttätigen Ausschreitungen rund um Flüchtlingsunterkünfte als "Schande". Sie seien "peinlich für unser Land", sagte der CDU-Politiker der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Allerdings kämen auf jede fremdenfeindliche Aktion in Deutschland statistisch gesehen 20 ehrenamtliche Aktionen für Flüchtlinge. "Es gibt in Deutschland eine anrührende, spontane und breite Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen", sagte Lammert. "Aufmärsche und Gewaltaktionen gehen von einer winzigen Gruppe aus, die oft von Wander-Randalierern unterstützt wird."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatten am Montag die gewalttätigen Ausschreitungen vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau ähnlich deutlich kritisiert. "Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, dumpfe Hassbotschaften zu verkünden", sagte Merkel. Gabriel sprach bei einem Besuch in Heidenau von "Pack" und sagte: "Für die gibt's nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis." Auch Merkel wird die Flüchtlingsunterkunft in Heidenau besuchen. Das Bundespresseamt kündigte am Dienstag an, dass die Bundeskanzlerin am Mittwochmittag mit Flüchtlingen sowie haupt- wie ehrenamtlichen Helfern und Sicherheitskräften sprechen werde.

Bundespräsident besucht Flüchtlingsunterkunft

Der Zentralrat der Juden in Deutschland bekräftigte angesichts der Ausschreitungen von Rechtsextremen und Rassisten seine Forderung nach einem NPD-Verbot. Rechtsradikale Organisationen, insbesondere die NPD, zeigten bei den Protesten in Sachsen "ihr wahres Gesicht", sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ein Verbot werde deshalb umso dringender.

Bundespräsident Joachim Gauck will unterdessen am Mittwoch eine Flüchtlingsunterkunft in Berlin besuchen. Das Staatsoberhaupt wolle sich im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf über die Situation der Flüchtlinge und die Arbeit der Helfer informieren, teilte das Bundespräsidialamt am Dienstag mit. Gauck war am Montag aus seinem Sommerurlaub an der Ostsee nach Berlin zurückgekehrt. Die Flüchtlingsunterkunft liegt in der Nähe seines Berliner Wohnorts. Gauck hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Flüchtlinge und deren Integration in Deutschland eingesetzt. Anfang Juli nannte er fremdenfeindliche Aktionen gegen Flüchtlinge widerwärtig und warb erneut für mehr Toleranz und Offenheit.

Linktipp: Chronologie der Schande

Im Baden-Württemberg hat in der Nacht zu Samstag ein geplantes Flüchtlingsheim gebrannt. Das Feuer reiht sich ein in eine immer länger werdende Liste von Anschlägen. Katholisch.de dokumentiert einige Fälle der vergangenen Monate.

Im brandenburgischen Nauen ging derweil erneut ein geplantes Flüchtlingsheim in Flammen auf. In der Nacht zum Dienstag brannte eine geplante Notunterkunft in der Kleinstadt westlich von Berlin. Verletzt wurde nach ersten Polizei-Angaben niemand. Erst vergangene Nacht hatte ein Feuer eine geplante Unterkunft für Asylbewerber im baden-württembergischen Weissach im Tal zerstört.

Das Feuer an der Sporthalle in Nauen hatte sich am frühen Dienstagmorgen auf das gesamte Gebäude ausgebreitet, wie die Polizei in Potsdam mitteilte. Die Feuerwehr habe sich daher dazu entschlossen, die Halle kontrolliert abbrennen zu lassen. Die Polizei ging nach den bisherigen Erkenntnissen von Brandstiftung aus. Ein technischer Defekt sei höchst unwahrscheinlich, hieß es. Spezialisten sollen die Ursache des Feuers am Vormittag eingehender untersuchen.

In Nauen hatte es in diesem Jahr mehrfach Demonstrationen gegen die geplante Aufnahme von Asylbewerbern gegeben. Im Februar war eine Stadtverordnetenversammlung zu diesem Thema massiv von rechtsextremen Demonstranten gestört worden. Die Sporthalle gehört zum Oberstufenzentrum mit beruflichem Gymnasium des Landeskreises Havelland. Der Landkreis hatte im Juli angekündigt, dass die Halle der vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen dienen soll. Vorgesehen war eine Nutzung von September bis Jahresende. (stz/dpa/KNA)