Jeder Katholik ist ein Gesicht der Kirche – nicht nur der Papst
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Ähnlich wie während der Fußball-Weltmeisterschaft alle zum Trainer mutieren, weiß wenige Tage vor dem Beginn des Konklaves scheinbar jeder, welchen Papst die Welt braucht. Die Vorstellungen reichen weit und widersprechen sich zum Teil diametral. Von "missionarisch", "ökumenisch", "den Franziskus-Kurs fortsetzen" bis zu "auf keinen Fall Franziskus II." ist alles dabei. Es ist legitim und menschlich, sich Gedanken über den künftigen Inhaber des wichtigsten Amtes in der katholischen Kirche zu machen. Es sollte aber nicht dazu führen, alle Erwartungen auf ihn zu projizieren, anstatt selbst seinen Beitrag zur Kirche von morgen zu leisten.
Die Gestaltung des Pfarreilebens vergangener Zeiten hat die Vorstellung geprägt, dass Katholisch-Sein nicht selten bedeutet, religiöse Praxis auf einen Amtsinhaber zu externalisieren. Denn die Gläubigen wurden daran gewöhnt, mit Gottesdiensten und Sakramenten "versorgt" zu werden und dabei rein passive Empfänger zu sein. Und so wird auch jetzt an einen einzigen Menschen die Hoffnung geknüpft, die Kirche in krisengeschüttelten Zeiten in eine bessere Zukunft zu führen.
Dass es mindestens genauso sehr um die Gottesbeziehung von jeder und jedem Einzelnen geht und dass alle berufen sind, das Evangelium weiterzutragen, hat Papst Franziskus in seinem ersten, programmatischen Lehrschreiben "Evangelii gaudium" hervorgehoben. Dabei ordnete er sich in die Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils ein, das die gleiche Würde aller Getauften und den unabhängig von Amt und Lebensform geltenden Auftrag betonte, an der Sendung der Kirche mitzuwirken. Dass er 60 Jahre nach dem Konzil daran erinnern musste, zeigt, wie sehr diese Impulse noch der Umsetzung harren.
Wenn ich überlege, welchen Christus-Nachfolger ich mir an der Spitze der Kirche wünsche, kann ich mir auch überlegen, was für eine Christus-Nachfolgerin ich eigentlich selbst sein möchte. Wenn ich mich frage, welches Gesicht der Papst der Kirche geben soll, kann ich mir bewusst machen, dass auch ich ein Gesicht der Kirche bin. Im Sinne von Papst Franziskus wäre das ganz bestimmt.
Die Autorin
Theresia Kamp hat Theologie und Romanistik studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Pastoraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und schreibt regelmäßig für verschiedene christliche Medien.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.