Himmelklar – Der katholische Podcast

Vatikan-Experte: Auch unter den Kardinälen gibt es "Plappermäuler"

Veröffentlicht am 06.05.2025 um 00:30 Uhr – Von Verena Tröster – Lesedauer: 

Köln ‐ Rund um die Papstwahl ging es oft nicht sonderlich fromm zu: Im Interview blickt Vatikan-Experte Ulrich Nersinger auf Beispiele aus der Vergangenheit, in denen es Beteiligte mit der Geheimhaltungspflicht im Konklave nicht sonderlich genau nahmen. Von Wanzen, Informanten und "Plappermäulchen".

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Eingebaute Störsender, die den Flugverkehr über dem Vatikan beeinflussen, verrammelte Fenster und Sicherheitspersonal an jeder Ecke: Das Konklave in Rom obliegt strengster Geheimhaltung. Und doch gelangen in der Vergangenheit immer wieder Informationen an die Öffentlichkeit. Wanzen wurden gefunden, 2005 landet der Name "Ratzinger" vor Aufsteigen des weißen Rauches auf dem Handy eines Journalisten, und ein anderes Mal verrät eine ins Fenster gehaltene Schere wer der neue Papst ist. Journalist und Vatikan-Experte Ulrich Nersinger über den "Tatort Konklave" und eine Wahl, deren Geheimhaltung immer schon durch "Plappermäulchen" gefährdet war.

Frage: Geheimhaltung hat oberste Priorität. Keine Informationen sollen nach außen dringen, schon gar nicht zu den Journalisten. Techniker durchsuchen deshalb die Sixtinische Kapelle nach Wanzen, um Abhören zu verhindern. Gab es da in der Geschichte mal Verstöße?

Nersinger: Immer wieder. Ich weiß, dass man vor einem Konklave Mikrofone und eine Leitung gefunden hat. In diesem Fall war es relativ harmlos. Das hatten die Techniker von Radio Vatikan vergessen. Man hat aber auch schon Wanzen gefunden. Viele Sachen werden uns ja auch nicht kommuniziert. Darüber halten sich die Schweizergarde, aber auch die Gendarmerie bedeckt, weil das niemanden anlocken soll, um es auch zu versuchen. Das ist heute weitaus schwieriger geworden.

Früher waren die Kardinäle im Apostolischen Palast untergebracht, sie waren hermetisch abgeschlossen, man hat die Fenster verplombt. Teilweise lebten die wirklich unter fast bedrohlichen Verhältnissen. Ich weiß, in den Konklaven von 1978 haben die Kardinäle das geltende Recht gebrochen, sind auf Stühle geklettert und haben die Plomben zerrissen, weil es durch die Hitze, die von draußen hereinkam, fast unerträglich wurde.

Das sind Geschichten, die natürlich auch wieder so eine Färbung des Konklaves geben. Die Absicherung ist aber heute noch schwieriger, weil die Kardinäle ja nicht mehr im Apostolischen Palast untergebracht sind, sondern im Gästehaus Santa Marta – und ich vermute, jetzt auch noch in anderen Gebäuden. Und dann muss auch der Weg von Santa Marta und den anderen Gebäuden bis zur Sixtina abgesichert werden. Da kommt auf die Gendarmerie, die Schweizergarde und die vatikanischen Sicherheitskräfte also einiges zu.

Es gibt auch Faktoren, die dann Mühe und Sorgen machen. Ich denke an die Absicherung, dass kein Funkverkehr möglich ist. Beim letzten Konklave hatte man Jammer-Störsender eingebaut. Dann musste man zum Beispiel die römische Flugsicherung informieren, dass kein Flugzeug und kein Hubschrauber über den Vatikan fliegen darf. Das ist ohnehin verboten, kann aber geschehen, weil es in der Nähe des Vatikans auch Krankenhäuser gibt. Man hat die gebeten, nicht darüber zu fliegen, denn die Sender waren so stark, dass sie den Flugverkehr gestört hätten und dass es durchaus zu Abstürzen hätte kommen können.

Und Versuche, in das Konklave einzudringen, sind natürlich mit den heutigen technischen Möglichkeiten durchaus möglich. Mittlerweile können sie ja Wanzen auf die Größe von einem Zuckerstück im Konklave oder in Santa Marta reduzieren.

Ulrich Nersinger mit Papst Franziskus.
Bild: ©Privat (Archivbild)

Bei einem Treffen überreichte Ulrich Nersinger Papst Franziskus eines seiner Bücher.

Frage: Aber trotz aller Vorkehrungen und Störsender fällt mir sofort der Journalist von ZDF und Phoenix, Stephan Kulle, ein, der ja den Namen "Ratzinger" beim Konklave 2005 aufs Handy bekommen hat, bevor weißer Rauch aufstieg. Damals gab es einen Informanten.

Nersinger: Die Geschichte zeigt, es gibt und gab immer Lücken. Das ist ja auch ein menschliches Geschehen, das sich da abspielt. Ich kann mich entsinnen, bei der Wahl von Pius X. war es so, da war auch alles hermetisch abgeschlossen. Aber dann hatte ein Journalist mit einem, der im Konklave selber noch postiert war, einen Deal gemacht. Vermutlich ging es auch um eine beträchtliche Summe Geld. Er sollte ihn von einem Fenster des Apostolischen Palastes aus informieren. Er würde sich dann etwas weiter mit einem Fernglas aufstellen. Und das ist tatsächlich gelungen. Der betreffende Spion, wenn man das so sagen darf, ging ans Fenster und machte eine Bewegung mit einer Schere. Da wusste der Journalist sofort Bescheid, denn es gab einen Kardinal, der dann Pius X. wurde, der mit bürgerlichem Namen "Sarto", also Schneider hieß.

Sie sehen also, mit welchen einfallsreichen Methoden man gearbeitet hat und vermutlich noch arbeitet. Man darf auch nicht die menschliche Komponente ausschließen, denn auch unter den Kardinälen, unter den sonstigen, die im Konklave sind, gibt es Plappermäuler. Da gibt es auch Versuche, für irgendeinen Zweck, ob das nun ein ideologischer ist oder ob das ein finanzieller ist, dagegen zu verstoßen.

Wir haben gesehen, auch nach dem Konklave sollten ja alle eigentlich über das Geschehen schweigen, aber dann kommen halt die Plappermäulchen. Und das scheint mir bei Klerikern noch mehr vorhanden zu sein.

Frage: Und dass Maulwürfe, wenn wir sie mal so nennen wollen, auch aus dem Vatikan selber kommen, hat man ja auch damals schon erlebt. Es war der Leiter des Vatikanischen Gesundheitsamtes damals, der Informationen über den Papsttod an die Boulevardpresse verkauft hat. Welche Informationen waren das damals?

Nersinger: Ja, das war eine sehr schäbige Sache. Das war der päpstliche Leibarzt, der hat während der Behandlung mit einer kleinen Kamera Fotos vom Papst gemacht, der auf dem Bett lag, mit Schläuchen in der Nase und im Mund. Das waren schreckliche Fotos. Und er hat diese Fotos dann sogar höchstbietend verkauft, nicht nur an die nationale Presse, sondern auch an die internationale Presse. Der hat also ein Riesenvermögen gemacht. Dann ist er natürlich vom Kardinalskollegium sofort suspendiert worden. Man hat ihm auch verboten, wieder den Vatikan zu betreten.

Solche Sachen passieren halt. Dagegen kann man nichts machen. Selbst die beste Absicherung hilft nicht, wenn das dann auch noch höherstehende Leute sind. Der päpstliche Leibarzt hatte ja eine besondere Stellung, der kann natürlich eher Sachen herausschmuggeln als ein Normalsterblicher.

Bild: ©KNA (Archivbild)

Mit einer Schere wurde die Wahl von Papst Pius X. (1903-1914) "geleakt".

Frage: Wie haben Sie denn die Berichterstattung über den Tod von Papst Franziskus jetzt erlebt? Gab es da auch moralisch fragwürdige Berichte?

Nersinger: Ich würde nicht sagen, dass es moralisch fragwürdige Berichte gab. Es gab aber viele "Fake-News". Da hat man gemerkt, man ist nicht so informiert, wie das eigentlich gefordert sein sollte, und man übernimmt dann auch von anderen Quellen Aussagen, die man anscheinend nicht überprüft hat, die dann auch unter Umständen einfach nur so daher gesagt werden.

Es gibt auch Journalisten, die Sachen erfinden. Das ist leider auch eine Tatsache. Und da die Leute, an die es gerichtet ist, auch nicht so gut informiert sind, kommen sie damit sogar gut weg.

Frage: Vielleicht, weil eigentlich keine Informationen da sind. Das schafft natürlich den Platz für Spekulation. Ein Konklave lädt ja fast dazu ein.

Nersinger: Wir haben gesehen, dass es, beginnend mit der Krankheit des Heiligen Vaters, auch große Probleme mit der Kommunikation gab. Das gab es auch immer, das war auch immer ein Problem.

Ich weiß, dass man Krankheiten der Päpste und auch den Tod eines Papstes immer so dargestellt hat, dass es dann zu Nachfragen kam. Denken wir an den Tod von Papst Johannes Paul I. Man hat dort aus Gründen der Etikette diesen Tod, ich will nicht sagen, verklärt, aber der betreffende Papst wurde dann vom Sekretär bei der Lektüre von Thomas von Kempis aufgefunden. Das stimmte natürlich alles nicht.

Der Papst ist beim Aktenstudium gestorben und er ist nicht vom Sekretär, sondern von einer Ordensschwester aufgefunden worden. Das war damals etwas, was man nicht so kommunizieren wollte. Der Papst kann doch nicht von einer Ordensschwester aufgefunden werden. Der Papst kann doch nicht beim Aktenstudium sterben. Das muss eine fromme Schrift sein.

Da zeigte sich, dass harmlose, kleine Lügen dann etwas hervorgebracht haben, was natürlich zu einer großen Spekulation wurde. Es gab ja dann Schriftsteller, die den Tod von Johannes Paul I. zu einem Thriller, zu einem Krimi verarbeitet haben.

Man hat vermutet, dass der Papst ermordet worden ist. Man merkt also, kleine Fehler und kleine Lügen können dann schon so etwas auslösen.

Frage: Beim Konklave 2005, aus dem Papst Benedikt XVI. hervorging, gab es eine Geschichte um ein angebliches Tagebuch eines Kardinals aus dem Konklave. Auch im Nachgang kommen oft noch Informationen ans Licht. Gab es diese Tagebücher wirklich?

Nersinger: Das braucht eigentlich gar nicht die Frage zu sein. Die Tatsache, dass man so etwas sagt, dass es Tagebücher gibt oder dass man Tagebücher geführt habe, das können Sie alles im Grunde nicht nachweisen.

Damit kann man natürlich wunderschön arbeiten, man kann wunderschön intrigieren, man kann die eigene Auffassung darstellen. Das sind beliebte und durch Jahrhunderte eigentlich schon tradierte Möglichkeiten: Entweder um sich selbst besser darzustellen, Aufmerksamkeit zu erhaschen oder auch im bestimmten Sinne von Ideologien oder von Interessen zu arbeiten. Da gibt es ein reiches Spektrum, warum das geschieht.

Von Verena Tröster