Gebet gegen Bulldozer
Die acht bis zwölf Meter hohe Mauer ist schon zu 60 Prozent fertiggestellt, der Bau durch das christlich geprägte Cremisan-Tal steht noch aus. Mit dem Wall, der größtenteils auf palästinensischem Gebiet errichtet wird, verstößt Israel jedoch gegen Völkerrecht. Dadurch kommt es immer wieder zu Problemen. So herrscht auch um den geplanten Teil der Mauer im Cremisan-Tal seit langem erbitterter Streit. Sie soll das Kloster teilweise von Palästina trennen und zahlreiche Privatgrundstücke unbrauchbar machen.
Das hätte fatale Folgen. Das Kloster, das 1883 auf der heutigen Grenze zwischen Jerusalem und Bethlehem gegründet wurde, ist weit über Palästina hinaus bekannt für seinen Wein, den die Don Bosco Brüder dort anbauen. In einem anderen Teil des Klosters betreiben die Don Bosco Schwestern weiterbildende Schulen, die durch den Weinverkauf finanziert werden. Dort werden Bäcker, Elektriker, Mechaniker und Schreiner ausgebildet. Außerdem gibt es ein theologisches Seminar für Studenten aus aller Welt. Doch all das könne nicht mehr aufrechterhalten werden, wenn das Kloster wie geplant zerteilt wird. Schon seit rund zehn Jahren durchlebt das Kloster ein ständiges Hin und Her an Gerichtsentscheidungen, die die Baupläne der Mauer betreffen.
Der Konvent beharrt darauf weiterhin ungeteilt auf palästinensischer Seite des Walls zu bleiben. Denn dort, wohnen die Schüler und dort befinden sich die meisten Weinberge. Doch Israel hat vor allem aus wirtschaftlichen Gründen großes Interesse das Kloster zu vereinnahmen, vor allem, weil der Weinanbau große Gewinne abwirft. 2006 beschloss daher der israelische Staat den Sperrwall so um das Kloster herum zu bauen, dass es innerhalb Israels liegt. Seit dem der Plan bekannt wurde, gab es im Cremisan-Tal massiven Widerstand und eine Petition, die von Erfolg gekrönt war: Der Bau der Mauer wurde zunächst untersagt.
Doch wenige Jahre später kam die überraschende Wende: 2011 beschloss das Verteidigungsministerium die Mauer quer durch das Klostergelände zu errichten, sodass die Schulen und die Don Bosco Schwestern nach wie vor auf palästinensischer Seite geblieben wären, die profitablen Weinkeller jedoch auf israelischer. Auch gegen diese neuen Pläne richtete sich Protest – und wiederum mit Erfolg: Im April dieses Jahres entschied der Oberste Gerichtshof von Israel, dass die Armee einen neuen Grenzverlauf bestimmen müsse, der die Interessen der Anwohner berücksichtige. Der Mauerbau nach dem Plan von 2011 schien somit verhindert. Der Vorsitzende der deutschen katholischen Menschenrechtskommission "Justitia et Pax", der Trierer Bischof Ackermann begrüßte diese Entscheidung als ein "vorgezogenes Ostergeschenk".
Jetzt musste er diese Aussage korrigieren, denn Anfang Juli entschied das Gericht unerwartet noch einmal anders: Es erlaubte die Mauer nach dem Plan von 2011, zu errichten, also quer durch das Klostergelände. Lediglich eine Lücke soll offen bleiben, damit die Brüder und Schwester hindurchkommen. Die Bewohner des Tals spekulieren, ob die Kehrtwende des Gerichts eine Reaktion darauf sein könnte, dass der Vatikan Palästina als offiziellen Staat anerkennen will. Das kündigte Papst Franziskus im Mai an, woraufhin es in Israel heftige Reaktionen gegeben hat.
Fünf Grundstücke palästinensischer, christlicher Familien wurden nun bereits durch die Rodungen zerstört, bis zu 58 Familien werden davon betroffen sein. Die Gesellschaft St. Yves, die für die Rechte der Christen im Cremisan-Tal eintritt, forderte kürzlich das Verteidigungsministerium und die Armee mit einer Petition dazu auf, den Mauerbau vorerst zu stoppen, die genauen Verlaufspläne offenzulegen und nach einer alternativen Route im Sinne des Gerichtsurteils vom April Ausschau zu halten, um die Bedürfnisse der Bewohner des Cremisan-Tals zu respektieren. Gegen das jüngste Gerichtsurteil vom Juli hat die Organisation nach Auskunft von "Justitia et pax" Einspruch erhoben. Diesem wurde stattgegeben, sodass ein abschließendes Urteil jetzt aussteht und die Weiterarbeit an der Mauer eigentlich pausieren müsste. Dennoch sind die Arbeiten in vollem Gange.
Bischof Ackermann verurteilte das als "Verstoß gegen die Gerechtigkeit". "Es ist besonders zu beanstanden, dass die Armee nun mit den Rodungsarbeiten begonnen hat, ohne eine abschließende gerichtliche Entscheidung in dieser Sache abzuwarten" sagte er. Dieses Vorgehen schüre Unmut und Misstrauen. Auch die Europäische Union beanstandet, dass viele Bauerfamilien durch den geplanten Mauerverlauf von ihrem Land getrennt werden sollen. Der Deutsche Verein vom Heiligen Land bedauert die Situation ebenfalls, unterstützt das Kloster mit Geldspenden und versucht, die Öffentlichkeit auf die Lage im Cremisan-Tal aufmerksam zu machen.
Als Protest feierten die Christen aus Bethlehem nach dem Beginn der Arbeiten eine Heilige Messe auf offener Straße. Doch das Militär unterbrach den Gottesdienst, indem sie einen Priester attackierte und zwei Menschen festnahm. Bei einem Gebet um Frieden, zu dem die Christen im Tal vergangene Woche eingeladen hatten, setzte das Militär sogar Tränengas gegen den friedlichen Protest ein. Bis das abschließende Gerichtsurteil vorliegt, werden die Bulldozer weiterhin Land zerstören – und die Menschen aus dem Cremisan-Tal weiter mit Gebeten und Protesten gegen den Mauerbau ankämpfen. (mit Material von KNA)