Locker und am Strand: Besondere Gottesdienste für die Urlaubszeit

Strandgottesdienste oder Andachten draußen am Meer bei Norddeich in Ostfriesland – barfuß beten am Strand scheint neugierig zu machen und anziehend zu wirken. Immer wieder blieben vorbeischlendernde Urlauber stehen, schauten zu und machten schließlich oft auch mit, berichtet Natalia Löster aus dem Seelsorgeteam Norden. Solche kirchlichen Angebote für die Feriengäste seien meist auch gemeinsam mit Vertretern der evangelischen Ortskirche ökumenisch ausgerichtet. Löster ist vor allem für die Ferienseelsorge zuständig. Ihre Gemeinde erstreckt sich über die ganze ostfriesische Küste.
Die Seelsorge am Meer sei "eine besondere Chance, auch Menschen zu erreichen, die sonst nicht mehr so viel mit Kirche zu tun haben", erklärt die Pastoralreferentin. "Wir haben hier ganzjährig Gäste." Zudem arbeiteten viele Küstenbewohner an der Küste und auf den Ostfriesischen Inseln im Tourismus. "Sie alle bewegen sich gewissermaßen außerhalb der Alltagsroutine."
Besondere kirchliche Gottesdienstfeiern am Strand würden daher auch gerne von den Einheimischen wahrgenommen. Denn diese erlaubten – anders als der Gottesdienst in der Kirche – ein individuelles Kommen und Gehen und ließen sich somit in den feiertäglichen oder saisonal bedingten Arbeitstag gut einfügen. Schließlich sei das Personal aus Gastronomie und Übernachtungsbetrieben gerade an Sonn- und Feiertagen "besonders eingespannt", sagt Löster. Ein Sonntagvormittagsgottesdienst sei da kaum praktikabel, "eine abendliche Auszeit am Strand aber vielleicht schon eher". Erstmals wird es dieses Jahr als neues Format auch "Watt für die Seele" geben – ein kleines gemeinsames Innehalten im Wattenmeer.
Wechselnde Teams vor Ort
Seelsorge am Meer – das beinhaltet natürlich auch reguläre Gottesdienste – etwa in der reetgedeckten Kirche Sankt Nikolaus auf der Insel Baltrum. Diese ist schon ohnehin ganz auf die Feriensaison ausgerichtet. Sie wird nur im Sommerhalbjahr von Palmsonntag bis Allerheiligen regelmäßig "bespielt"; nur in dieser Zeit sind in wechselnden Teams Feriengeistliche und Gastküster vor Ort.
Die Baltrumer Kirche ist eine raffiniert gebaute Konstruktion mit einer kleinen Kirche, die aber mit großen Türen hin zu der davor sich ausstreckenden "Sommerkirche" verbunden ist: ein mit einem überbauten Außengang umschlossenes großzügiges Atrium. Alles wird ganztägig offengehalten und lädt jederzeit zu einem zwanglosen Besichtigungsrundgang ein.
"Wir bieten uns hier auf Baltrum den Menschen auch unabhängig von den Gottesdienstzeiten als Gesprächspartner an", erläutert Diakon Siegfried Löckener. Er stammt ursprünglich aus Bocholt, gehört aber nach dem Umzug mit seiner Frau an die Küste fest zum Seelsorgeteam der rund 26.000 Einwohner zählenden Stadt Norden.

Die Nordseeinsel Baltrum ist ein beliebtes Urlaubsziel.
Gerade tut er "als Springer" für eine Woche Insel-Dienst auf Baltrum, da kein Urlaubsseelsorger verfügbar war. "Pfarrhaus und Kirche liegen ja vis-à-vis, so dass ich auch von der Wohnung oder vom Büro aus im Blick habe, ob womöglich Leute Ansprache benötigen." Tatsächlich suchen immer wieder Personen die Kirche mit einem speziellen Anliegen auf. So wollte jüngst eine ältere Urlauberin von dem Diakon den Ehering ihres verstorbenen Mannes gesegnet haben, den sie nun zu seinem Andenken trägt.
Andere Besucher möchten einfach mehr über das originelle Kirchengebäude wissen, das – so Löckener – für den wechselnden Platzbedarf von fünf bis 500 Menschen konzipiert wurde: "Im Sommer in der Hauptsaison benötigen wir für einen Sonntagsgottesdienst tatsächlich auch mal den ganzen Platz - dann werden in der Sommerkirche noch Stühle aufgestellt!"
Urlaub und Ehrenamt
Stühle stellen und die kirchlichen Feiern vorbereiten – das ist Aufgabe des Gastküsters, der jeweils auf Baltrum Dienst tut. Diakon Löckener hat gerade eine Küsterin an seiner Seite: Tanja Kaarz aus Quakenbrück macht mit ihrem Mann auf Baltrum Urlaub und verbindet dies für sich mit dem kirchlichen Ehrenamt. "Es ist von der Aufgabe her eigentlich ähnlich wie zu Hause, und doch ist der Rahmen hier ganz anders", betont sie. "Sobald ich in der Kirche bin, komme ich immer gleich mit den Menschen ins Gespräch. Die Urlauber sind fast alle sehr offen und kontaktfreudig".
Auf Baltrum wird diese Offenheit auch in den Gottesdiensten genutzt. Da wird dann vor Beginn schon mal in die Runde gefragt, ob jemand die Orgel spielen kann, damit die Musik nicht vom PC eingespielt werden muss, ob jemand den Lektorendienst spontan übernimmt. Und aus der Schar der Feriengäste sprang auch schon so mancher als Messdiener ein. So sind die Gottesdienste oft nicht perfekt im Ablauf, aber immer sehr authentisch.
"Ich empfinde eine große Verantwortung, aber eine noch größere Freiheit, wenn ich hier Dienst tue", erläutert Diakon Löckener. "Man ist auf sich selbst gestellt, muss sehen, was auf einen zukommt." Zugleich könne er "den Gottesdienst sehr vielseitig gestalten, je nachdem eben, was für Menschen zusammenkommen".
„Ich empfinde eine große Verantwortung, aber eine noch größere Freiheit, wenn ich hier Dienst tue.“
An diesem Sonntagmorgen ist die Baltrumer Kirche Sankt Nikolaus um 10 Uhr gut gefüllt. An der Orgel sitzt Anja Encarnacao aus dem Odenwald, die sich als Hilfe für den Sonntagsgottesdienst angeboten hat. Diakon Löckener ist inzwischen wieder abgereist; nun tut hier Dieter Osthus aus dem Erzbistum Paderborn als Gastpfarrer Dienst. Er freut sich über die vielen Anwesenden und lädt zu Beginn der Feier zu einer ausführlichen Vorstellungsrunde: "Denn wir wollen ja hier in Gemeinschaft Gottesdienst feiern, und das können wir am besten, wenn wir uns vorher etwas kennenlernen!"
Heute sind in der Kirche Urlauber aus Aachen, dem Sauerland, dem Vogelsberg, aus Berlin, Bochum und sogar aus der Schweiz zusammengekommen. Auch Menschen aus Polen und der Slowakei sind dabei – Mitarbeitende in der Gastronomie, die auf der kleinen Insel leben. Sie alle sind sehr angetan von dem unkonventionellen Gottesdiensteinstieg und geben bereitwillig Auskunft. Beim anschließenden Auftaktlied singen alle kräftig mit – die ausgiebige Begrüßungsrunde hat sie offenbar zusammengeschweißt.
Der kirchliche Dienst erfordert von allen Mitgliedern das Seelsorgeteams viel Flexibilität, sagt Pastoralreferentin Löster. Denn auch die "alltäglichen" Angebote für die Gemeinde sollen ja verlässlich erfüllt werden. Es sei der Anspruch des Teams, offen für alle zu sein. "Unsere Kirche hier erlaubt jedem eine Stippvisite – ganz egal, ob als Feriengast, als Saisonarbeiter im Tourismus oder als Küstenbewohner." Diese Offenheit komme bei den Menschen gut an. "Sie geben der Kirche hier im Urlaub oder in ihrem besonderen Alltagsleben eine Chance. Gemeinsam bilden wir dann eine Gemeinschaft auf Zeit. Und die gibt uns allen etwas."