Standpunkt

Der CSD – ein Lärm, den es braucht

Veröffentlicht am 09.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Lärm kann stören. Manchmal muss man aber laut sein, beobachtet Regina Nagel am Rande des Christopher Street Days: um Präsenz zu zeigen und Position zu beziehen für Menschenrechte.

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Ich mag keinen Lärm und Sommerhitze belastet mich. Am CSD in Heilbronn wollte ich als Oma gegen Rechts dennoch teilnehmen und so wartete ich in einem Café im Schatten auf die Ankunft des Zugs zur Kundgebung auf dem Kiliansplatz. Ältere Leute neben mir echauffierten sich über junge Leute am Nebentisch, die sich lebhaft in einer mir fremden Sprache unterhielten. Ja, sie waren laut, mich jedoch störte die Kritik daran mehr und ich sagte: "Die sind jung, die haben Spaß, die wollen uns Ältere nicht ärgern." Ich ging kurz ins Café und als ich zurückkam, waren die Jungen weg und eine ältere Person meinte: "Sie hätten doch nicht gleich gehen müssen, sie hätten doch nur still sein sollen."

Ein Gefühl von Fremdscham als ältere, weiße Frau überkam mich, doch dann hörte ich Lärm und ich freute mich, denn ich wusste: Jetzt wird es gleich richtig laut. Der CSD-Zug traf ein, ich machte Fotos, ging zurück an meinen Tisch und hörte Aussagen, wie: "Ich würde ja nie die AfD wählen (immerhin!), aber solche Leute wie die da verstehe ich nicht – und außerdem sind die viel zu laut!" "Sie müssen laut sein", sagte ich, "denn ihre Rechte sind bedroht!" Der Grundtenor der CSD-Redebeiträge war: "Wir sind hier für alle, die es nicht wagen, hier zu sein."

In Heilbronn waren es wenige hundert, am Tag danach in Köln über eine Million Aktive und Zuschauende. Es ist so wichtig, auf die Straße zu gehen für die, die es nicht wagen! Eine Videobotschaft einer US-amerikanischen Politikerin kommt mir dazu in den Sinn. Sie erzählt von einer Stadt, die sie öfter besucht. Vor einem guten halben Jahr noch seien die Straßen voller Leben gewesen, heute wie ausgestorben aufgrund der Angst vor der Einwanderungspolizei ICE. Sie habe an ihren Besuch in Amsterdam denken müssen, sagt sie, und daran, wie versteckt und wie still die Familie von Anne Frank leben musste.

Meine CSD-Erkenntnis: Es gibt Lärm, den ich mag. Es gibt Lärm, den es dringend braucht und es gibt eine bunte Vielfalt an Möglichkeiten, Präsenz zu zeigen und Position zu beziehen für Menschenrechte. Dies gilt auch für die eher Stillen und unbedingt für die, die sich dem Evangelium verpflichtet wissen! Wer sich bewusst und gezielt diesem Widerstand verweigert, wird Kompliz*in unerträglicher Facetten von Unrecht, welches Menschen ausgrenzt, bedroht, in Angst und Schrecken versetzt oder gar vernichtet.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Religionspädagogin, Wirtschaftspsychologin und Autorin. Sie studiert derzeit Geschichte Europas an der FernUniversität Hagen und engagiert sich bei den Omas gegen Rechts Deutschland e.V.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.