Ein Blick auf die jüngsten Bewegungen im US-Episkopat

Eine politische Botschaft? Bischofsernennungen von Leo XIV. in den USA

Veröffentlicht am 12.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mit Bischofsernennungen können Päpste die kirchenpolitische Ausrichtung von Bischofskonferenzen über Jahre hinweg beeinflussen. Als ehemaliger Bischofspräfekt hat Leo XIV. hier einen besonderen Einblick. Was sagen die Personalentscheidungen in seinem Heimatland über seinen Kurs aus?

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Mit einem Bibelzitat aus dem Gleichnis vom Gericht des Menschensohnes über die Völker kommentierte der bekannte US-Jesuit James Martin eine der jüngsten Bischofsernennungen in den USA auf der Plattform "X": "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen." (Mt 25, 35) Kurz zuvor hatte der Vatikan bekanntgegeben, dass der 53-jährige Simon Engurait neuer Bischof der Diözese Houma-Thibodaux im US-Bundesstaat Louisiana wird. Der Priester wurde in Uganda geboren und ist Berichten zufolge der erste afrikanisch-stämmige Bischof des Landes überhaupt.

Engurait ist nicht der einzige Bischof mit Migrationshintergrund, der von Papst Leo XIV. in seinem Heimatland eingesetzt wurde: Im Mai ernannte der Papst den bisherigen Weihbischof von San Diego, Michael Pham, zum neuen Bischof der Diözese. Der gebürtige Vietnamese folgt damit auf Kardinal Robert McElroy, der noch von Papst Franziskus zum Erzbischof des Hauptstadtbistums Washington ernannt wurde – und ist der erste vietnamesisch-stämmige Bischof der USA. Acht Tage später wurde Pedro Bismarck Chau zum Weihbischof im Erzbistum Newark (Bundesstaat New Jersey) ernannt. Der Priester wurde im südamerikanischen Nicaragua geboren.

Lediglich zwei gebürtige US-Amerikaner

Mit dem neuen Erzbischof von Pittsburgh (Bundesstaat Pennsylvania), Mark Eckman, dem neuen Erzbischof von Mobile (Alabama), Mark Steven Rivituso, und dem neuen Bischof von Baker (Oregon), Thomas J. Hennen, waren unter den ersten Bischofsernennungen von Papst Leo XIV. in den USA lediglich drei gebürtige US-Amerikaner. Zudem wurde der Bischof der kalifornischen Diözese Monterey, Daniel Elias Garcia, von Leo XIV. zum Bischof von Austin (Texas) ernannt.

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Ein genauerer Blick auf die Bischofsernennungen in den USA unter Papst Leo XIV. lohnt sich nicht nur, weil das Land die Heimat des neuen Kirchenoberhauptes ist. Bis zu seiner Wahl als 267. Papst der Kirchengeschichte war Kardinal Robert Francis Prevost ab 2019 Mitglied der – damals noch so bezeichneten – Kongregation für die Bischöfe im Vatikan. Ab 2023 war er sogar Präfekt des nun umbenannten Bischofsdikasteriums. Einige der nun ernannten Bischöfe dürften also schon in seiner damaligen Funktion von ihm unter die Lupe genommen worden sein. Zudem hat der Papst – anders als etwa in den meisten Diözesen in Deutschland – in den USA freie Hand bei der Ernennung neuer Bischöfe und kann so die Ausrichtung einer Bischofskonferenz unmittelbar über Jahre beeinflussen.

Bischofsernennungen "definitiv bemerkenswert"

Wie also können die Bischofsernennungen von Papst Leo XIV. in den USA interpretiert werden? Dass drei der sieben von Leo ernannten Bischöfe außerhalb der USA geboren wurden und somit selbst Einwanderer sind, sei "definitiv bemerkenswert", sagt Catherine Hoegeman. Sie ist Soziologin an der Missouri-State-Universität und verfolgt die Bewegungen im US-Episkopat seit Jahren. "Es könnte sein, dass Leo versucht, die Vielfalt unter den US-Bischöfen zu erhöhen", so Hoegeman gegenüber katholisch.de. Es sei aber noch zu früh, um das zu beurteilen.

Der Kirchenhistoriker und Theologe Massimo Faggioli bewertet die Personalentscheidungen Leos ähnlich. Er glaube zwar nicht, dass diese "direkt politisch sind", sagt er gegenüber katholisch.de. Neue Bischöfe müssten etwa den kirchlichen Vorgaben und den Bedürfnissen der Ortskirchen entsprechen, so Faggioli, der über mehrere Jahre in den USA geforscht und gelehrt hat und ab September Professor für Historische und Zeitgenössische Ekklesiologie am Trinity College in der irischen Hauptstadt Dublin ist. "Aber sicherlich enthalten die Ernennungen eine politische Botschaft an die Trump-Regierung, aber auch an alle US-Katholiken, auch an diejenigen, die Trump gewählt haben."

Bild: ©Lola Gomez/CNS photo/KNA (Symbolbild)

Papst Franziskus schrieb einen Brandbrief an die US-Bischöfe, um die Massendeportations-Pläne der US-Regierung zu kritisieren. Die Mehrzahl der aktuell amtierenden Bischöfe in den USA wurde von Franziskus in ihr derzeitiges Amt berufen.

Faggioli sieht in den Entscheidungen von Leo XIV. keinen neuen Kurs, sondern eine Fortsetzung der Politik von Papst Franziskus. Dieser hatte sich mehrfach kritisch zur Migrationspolitik in den USA geäußert und im Februar einen Bandbrief an die US-Bischöfe geschickt und darin die Pläne zu Massendeportationen verurteilt. Eine Politik, mit der Migration geordnet geregelt wird, sei zwar zulässig. Das Kirchenoberhaupt betonte aber: "Was auf der Grundlage von Gewalt und nicht auf der Wahrheit über die gleiche Würde jedes Menschen aufgebaut wird, beginnt schlecht und wird schlecht enden."

Hoegeman stützt diese These. Die US-Bischöfe seien in vielen Fragen wie zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder der Vorrangstellung des Themas Abtreibung gespalten. "Allerdings sind sie sich ziemlich einig in ihrer Unterstützung für die Aufnahme von Einwanderern und für deren humane Behandlung – und das schon lange vor der Trump-Regierung." Insgesamt sei das US-Episkopat allein zahlenmäßig von Franziskus umgestaltet worden, erklärt die Soziologin. "Bis heute wurden 71 Prozent der US-Bischöfe – einschließlich der US-Territorien – von Papst Franziskus in ihr derzeitiges Amt berufen." 23 Prozent seien von Benedikt XVI. ernannt und jeweils drei Prozent von Johannes Paul II. und von Leo XIV.

"Die Frage ist: Wie messen wir das?"

Welche inhaltlichen Einflüsse das habe, lasse sich aber nur schwer einordnen. Schon früh in seinem Pontifikat habe Franziskus seinen Wunsch nach pastoralen Bischöfen ausgedrückt, die "den Geruch der Schafe" tragen und dem Volk Gottes nahe sind. "Die Frage ist: Wie messen wir das?", so die Soziologin.

Bischof Michael Pham betritt ein Gerichtsgebäude in San Diego
Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gregory Bull

Besuchte ein Bundesgericht, um Einwandererfamilien zu unterstützen: der ernannte Bischof von San Diego Michael Pham.

Jenseits empirischer Befunde lässt aber das Auftreten der neuen Leo-Bischöfe aufmerken. So machte sich der ernannte Bischof Pham beispielsweise nach einer Messe am Weltflüchtlingstag gemeinsam mit anderen Priestern und Gläubigen zum Bundesgericht in San Diego auf, um Einwandererfamilien zu unterstützen und für sie zu beten. Die Folge: Die maskierten Beamten der US-Einwanderungsbehörde verließen die Flure, keiner der Einwanderer wurde abgeschoben.

"Wie kaum eine andere eine globale katholische Kirche"

Die Bischofsernennungen spiegeln aus Sicht von Faggioli aber auch eine weitere Entwicklung in der US-Kirche wider: "Die katholische Kirche in den USA stützt sich bereits auf viele nicht in den USA geborene Geistliche und Ordensleute und ist wie kaum eine andere eine globale katholische Kirche." Besonders angesichts der Rhetorik der Trump-Regierung gegenüber Einwanderern sei das bedeutsam.  

Der Theologe richtet seinen Blick dabei aber nicht nur auf die Ernennung neuer Bischöfe in den USA – sondern auf den Vatikan: "Wir werden mehr über Leos Absichten bei den Ernennungen erfahren, wenn er einen neuen Präfekten für das Dikasterium für die Bischöfe auswählt", so Faggioli. Neben dieser Personalie sei ebenfalls interessant, welche weiteren Mitglieder Leo in das Dikasterium beruft. "Die US-Kardinäle, die Franziskus als Mitglieder des Dikasteriums ernannt hat, waren sehr wichtig für die Gestaltung einer bestimmten Politik der Bischofsernennungen in den USA." Auch hier hat sein Nachfolger also die Chance, politisch aktiv zu werden.

Von Christoph Brüwer