Schulpädagoge Klaus Zierer: Kruzifix-Urteil führt zu Spaltung
Der Augsburger Bildungsforscher Klaus Zierer kritisiert das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu einem Kruzifix in einer Schule. Dieses hatte am Mittwoch entschieden, ein staatliches Gymnasium im Freistaat hätte das Kruzifix auf die Forderung zweier Schülerinnen hin abnehmen müssen. Dazu teilte Zierer am Donnerstag mit: "Es ist ein Irrtum zu glauben, mit dem Abhängen des Kreuzes, das für Menschenwürde und Nächstenliebe steht, Glaubensfreiheit und Toleranz zu sichern. Das Gegenteil ist der Fall: Religiöse Menschen werden gegen Atheisten in Stellung gebracht, Gläubige gegen Ungläubige, Überzeugte gegen Zweifelnde."
Zierer, der an der Universität Augsburg Schulpädagogik lehrt, warnte davor, unter dem Deckmantel der Glaubensfreiheit die geistigen Wurzeln des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags zu kappen. Schulen seien weltanschaulich neutral, aber nicht wertfrei. "Über allem steht die Präambel der Bayerischen Verfassung, wonach eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott zum Trümmerfeld der Nazibarbarei und des Zweiten Weltkrieges geführt hat." In der Bayerischen Verfassung werde zudem explizit die Ehrfurcht vor Gott als zentraler Wert genannt.
Weiter monierte der Wissenschaftler: Während das Anbringen von Regenbogenfahnen immer öfter eine Berechtigung habe, wie jüngst das Verwaltungsgericht in Berlin im Hort einer Grundschule entschieden habe, wracke man jahrtausendealte Symbole ab, von denen her das Gemeinwesen lebe. "Aus schulpädagogischer Sicht passt das nicht zusammen", so Zierer. "Es ist den jungen Menschen nicht vermittelbar, warum die einen Symbole erlaubt werden und die anderen nicht."
"Eingriff in negative Glaubensfreiheit"
Der Verwaltungsgerichtshof sah im vorliegenden Fall die Konfrontation mit dem Kruzifix als "Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit". Diese meint die Freiheit, keinen bestimmten Glauben zu haben. "Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert", hieß es. Das anderthalb Meter große Kruzifix sei an einer exponierten Stelle angebracht gewesen.
Gegen das Urteil wurde keine Revision zugelassen. Dagegen kann binnen eines Monats Beschwerde eingelegt werden. Die bayerischen Regierungsparteien CSU und Freie Wähler kritisierten das Urteil. Bayern sei christlich-abendländisch geprägt und das Kreuz stehe für Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit.
Laut dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen ist in Grund-, Mittel- und Förderschulen in jedem Klassenzimmer ein Kreuz anzubringen. Für Gymnasien gibt es eine solche Regelung nicht. (KNA)
