Standpunkt

Streiten Sie würdig und mit Stil!

Veröffentlicht am 21.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Werner Kleine – Lesedauer: 

Bonn ‐ Streitbarkeit ist eine Tugend, zur Streitkultur aber gehört die Zähmung der Reflexe auch bei Triggerthemen. Gerade Christen sollten hier ein gutes Beispiel geben, meint Werner Kleine – und verweist auf aktuelle Debatten in Kirche und Politik.

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Streitbarkeit ist eine Tugend, kann aber auch ein Fluch sein. Das hängt davon ab, ob der von Natur aus gegebene Aggressionsdrang, der durchaus überlebensnotwendig ist, kultiviert wird. Aus ungezügelter und reflexhafter Streitlust kann dann Streitkunst entstehen.

Tatsächlich kann die Geschichte Gottes mit den Menschen auch als eine Geschichte des Streitens gelesen werden. Man denke allein an den Kampf Jakobs am Jabbok, der ihm den Namen "Israel" einbringt – Gottesstreiter –, an die Auseinandersetzung des Paulus, der dem Petrus nach seinem Wortbruch in Antiochien ins Angesicht hinein widersteht, oder an den Mann aus Nazareth, der sicher nicht als "lieber Jesus" am Kreuz geendet ist, sondern weil er immer wieder die streitbare Auseinandersetzung gesucht hat. Streitbarkeit gehört zur christlichen Tradition.

Zur Streitkultur aber gehört die Zähmung der Reflexe. Jüngst konnte man wieder beobachten, dass Reiz-Reaktions-Muster eher in den kommunikativen Morast führen. Ob etwa offene Briefe generell eine angemessene Wahl der rhetorischen Waffen darstellen, sei dahingestellt. Der Schuss geht schnell nach hinten los, wenn der Sattel des rhetorischen Rosses argumentativ zu lose gebunden ist, der Reiter schnell den Halt verliert und aus der selbst gewählten Höhe auf dem Boden der Tatsachen landet.

Ähnlich ist es bei anderen Triggerthemen. Wenn es etwa um den Schutz des Lebens und die unantastbare Würde des Menschen geht, kann man sich kaum einen katholischen Christen römischer Provenienz vorstellen, der nicht den Schutz ungeborenen Lebens betont: Die Menschenwürde gilt von Anfang an. Dass es hier in Diskursen anderer Perspektiven oft noch Diskussionsbedarf und die Notwendig spezifisch juristischer oder ethischer Güterabwägungen gibt, wird schnell als skandalös angesehen. Dabei scheint oft allein die Frage, was "Würde" überhaupt meint, offenkundig nicht wirklich klar zu sein – zumindest, wenn man beobachtet, mit wie wenig Würde offenkundig die kritisierten Gegnerinnen angegriffen werden, die doch Menschen sind.

Gerade wir Christen sollten hier ein gutes Beispiel geben – und zwar nicht nur wegen des Gebotes der Feindesliebe. Vielleicht kann ein Hinweis aus dem Jakobusbrief eine gute Übung sein, wenn die Emotionen in den Fingern jucken: "Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn; denn der Zorn eines Mannes schafft keine Gerechtigkeit vor Gott." (Jak 1,19f) In diesem Sinne: Streiten Sie würdig und mit Stil!

Von Werner Kleine

Der Autor

Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.